Eine heute von der TU Dortmund veröffentlichte und der Stiftung Mercator geförderte Studie macht deutlich: Übergangsempfehlungen sowohl nach der Grundschule als auch am Ende der Sekundarstufe 1 stimmen oft mit dem Leistungspotenzial der Schüler nicht überein. Die zusätzliche Berücksichtigung objektiver Tests können Übergangsempfehlungen fairer gestalten.
Schulempfehlungen und -entscheidungen sind noch immer von sozialer Ungleichheit geprägt. So besuchen etwa Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern seltener das Gymnasium als Kinder aus Akademikerhaushalten. Dies ist selbst bei gleichen Kompetenzen, gleichem kognitivem Potenzial und gleichen Noten in der 4. Klasse der Fall. Erstmalig konnte die Studie dies auch für den Übergang von der nicht-gymnasialen Sekundarstufe I in die gymnasiale Oberstufe in NRW zeigen. Wichtige Faktoren für diese Befunde sind der Bildungshintergrund der Eltern sowie die Noten der Schüler, die häufig das zentrale Entscheidungskriterium für die Übergangsempfehlung zwischen der Grund- und der weiterführenden Schule sind. Noten bilden jedoch nicht bei allen Kindern die tatsächlichen schulischen Kompetenzen und das tatsächliche kognitive Potenzial ab. So zeigt sich beispielsweise, dass bei guten Noten meistens auch die Einschätzung des jeweiligen kognitiven Potenzials durch die Lehrkräfte höher ausfällt und umgekehrt.
Dies hat jedoch zur Folge, dass das tatsächliche kognitive Potenzial von Kindern und die Übergangsempfehlungen vielfach nicht optimal übereinstimmen. Das ist ein zentrales Ergebnis der in NRW erhobenen Studie „Fa(ir)bolus – Faire Beurteilung des Leistungspotenzials von Schülerinnen und Schülern“. So verfügten 14 Prozent der Kinder mit Hauptschulempfehlung über ein überdurchschnittliches oder gar weit überdurchschnittliches kognitives Potenzial. Von den Kindern mit einer Realschulempfehlung traf dies auf 23 Prozent zu.
Die Autoren der Studie regen daher an, für Übergangsempfehlungen künftig zusätzlich zu Noten auch die Ergebnisse objektiver Leistungstests sowie solcher zur Messung des individuellen kognitiven Potenzials zu berücksichtigen. Bei der Entscheidung für eine bestimmte Schulform könnten schlechte Noten durch gute Testergebnisse, und schlechte Testergebnisse durch gute Noten kompensiert werden. Ihre Analyse zeigt, dass der dominierende Einfluss der Schulnoten damit reduziert werden würde und so insbesondere Kinder von Eltern mit niedrigeren Bildungsabschlüssen häufiger gemäß ihrer Begabung eine Gymnasialempfehlung erhalten könnten. Die Tests könnten daher Lehrkräften in ihrer Beratungs- und Beurteilungsfunktion unterstützen und Übergangsempfehlungen könnten gleichzeitig fairer gestaltet werden.
„Die Studie verdeutlicht, dass man bei schulischen Übergängen Gefahr läuft, Potenziale zu verschenken. Aus gesellschaftlicher Sicht sind die Kosten, die durch unzureichende Bildung entstehen, enorm. Auch wenn eine Optimierung von Bildung mehr umfasst als eine sozial- und leistungsgerechte Gestaltung von schulischen Übergängen, ist eine Verbesserung dieser Übergänge ein erster Schritt, um dieses Problem anzugehen “, sagt Studienleiterin Prof. Dr. Ricarda Steinmayr. „Es geht uns darum, dass jedes Kind die seinem Potenzial entsprechende individuelle Unterstützung und damit gleiche Bildungschancen erhält. Die Testergebnisse können einen Beitrag dazu leisten, dass insbesondere solche Schüler künftig noch besser gefördert werden können, deren Leistungspotenzial aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Noten bisher unterschätzt wird“, sagt Dr. Susanne Farwick, Bereichsleiterin Integration der Stiftung Mercator.
Mehr Informationen unter:
Factsheet zur Studie: https://www.stiftung-mercator.de/de/publikation/factsheet-fairbulous/
Kurzfassung der Studie:
Langfassung der Studie: https://www.stiftung-mercator.de/de/publikation/studie-fairbulous/