Pressemitteilung
Köln, 21.02.2014
In der Hälfte aller in Deutschland angebotenen Lehramtsstudiengänge sind Inhalte zu Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache für angehende Deutschlehrerinnen und -lehrer verpflichtend. Für alle anderen Unterrichtsfächer liegt der Anteil bei gut 40 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache heute vorstellt. Großer Nachholbedarf besteht bei der Verankerung der Inhalte in der Gesetzgebung: Nur ein Bundesland schreibt die Auseinandersetzung mit Sprachförderung verpflichtend für alle angehenden Lehrkräfte vor. Das Institut empfiehlt den Bundesländern eine konkrete Verankerung in den Lehrerausbildungsgesetzen, um passgenaue Angebote an allen Hochschulen zu sichern.
In knapp der Hälfte aller Lehramtsstudiengänge für das Fach Deutsch setzen sich angehende Lehrer mit den Themen Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache auseinander. Der Anteil in allen anderen Unterrichtsfächern liegt bei 40 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studie des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln. Die Studie hat bundesweit untersucht, wie Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerausbildung an den einzelnen Universitäten und in der Gesetzgebung der Bundesländer verankert ist. 
Der Bedarf ist groß: Deutschland ist eine Migrationsgesellschaft. Laut Mikrozensus haben knapp ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen einen Migrationshintergrund. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die ohne Deutschkenntnisse an die Schule kommen, steigt stetig, allein in Berlin lag sie 2013 bei 2.500. Aber auch Kinder und Jugendliche, die Deutsch als Muttersprache lernen, benötigen Unterstützung: Zuletzt kam PISA 2012 zu dem Ergebnis, dass 14,5 Prozent der Schüler keine ausreichenden Lesekompetenzen mitbringen, um dem Unterricht erfolgreich folgen zu können.
Sprachliche Kompetenzen sind eine wesentliche Voraussetzung für gerechte Bildungschancen. Lehrkräfte nehmen dabei eine Schlüsselfunktion ein: Sie müssen mit den unterschiedlichen Herkunftssprachen, kulturellen und sozialen Hintergründen der Schüler umgehen und sie in ihrer sprachlichen Entwicklung bestmöglich fördern. Zwei Drittel der Lehrkräfte fühlen sich darauf jedoch nicht ausreichend vorbereitet. Das hatte bereits eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IPSOS im Auftrag des Mercator-Instituts 2012 ergeben.
Der Studie zufolge ist für einige Lehramtstypen allerdings eine positive Entwicklung zu beobachten: So liegt der Anteil der Hochschulen, die Angebote zu Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache in das Lehramt für die Grundschule integrieren, bei bis zu 69 Prozent. „Die Hochschulen haben Konsequenzen aus der zunehmenden Diversität und Heterogenität der Gesellschaft gezogen und ihre Aktivitäten auf diesem Feld in den letzten Jahren stark ausgeweitet. Diese Entwicklung darf sich jedoch nicht auf einzelne Lehrämter und Fächer beschränken. Sprachliche Bildung ist durchgängig wichtig. Sie spielt beispielsweise auch im Fach Mathematik an Haupt- und Realschulen oder in der Berufsschule eine wichtige Rolle“, erläutert Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache. Die Studie hat ergeben, dass nur etwa ein Drittel der Hochschulen auch für angehende Lehrkräfte an Berufsschulen sowie Haupt- und Realschulen verpflichtende Seminare anbieten. „Deshalb ist es wichtig, dass es hochschulübergreifende, verpflichtende Regelungen gibt, damit durchgängige sprachliche Bildung und Förderung allen Schülern zugute kommt“, fordert Becker-Mrotzek.
Nur in Nordrhein-Westfalen ist ein verpflichtendes Modul für alle Lehramtsstudierenden gesetzlich vorgeschrieben. Darüber hinaus gibt es nur in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen eindeutige Regelungen. „Die Studie zeigt: klare Vorgaben auf Länderebene führen zu konkreten Angeboten an den Hochschulen. Deshalb empfehlen wir, Ziele und Umfang der Studieninhalte zu Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache genau zu definieren, beispielsweise in Form von Leistungspunkten“, fasst Becker-Mrotzek eine der zehn zentralen Handlungsempfehlungen zusammen, die das Institut auf Basis der Studienergebnisse gegenüber den Bundesländern, den Hochschulen und den Fortbildungsinstitutionen ausspricht.
Die Studie wird heute auf einer Fachtagung zum Thema „Durchgängige Sprachbildung in der Schule“ in Köln mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Bildungsadministration und Praxis vorge-stellt. Sylvia Löhrmann, nordrhein-westfälische Ministerin für Schule und Weiterbildung, stellvertretende Ministerpräsidentin und Präsidentin der Kultusministerkonferenz wird einen Impulsvortrag halten und an der Podiumsdiskussion teilnehmen. „Durchgängige Sprachbildung ist ein wichtiger Beitrag zu Bildungserfolg und mehr Bildungsgerechtigkeit. Nur wer sicher in Sprache und Schrift ist, kann eine erfolgreiche Bildungsbiographie schreiben. Aber auch Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenzen sollen gefördert werden, um alle Potentiale der Kinder und Jugendlichen zur Geltung zu bringen. Für Lehrerinnen und Lehrer gehört Unterricht in sprachlich heterogenen Klassen immer mehr zum Alltag. Deshalb ist es wichtig, dass dieses Thema auf der bildungspolitischen Agenda steht. In der Lehrerbildung haben die Länder wichtige Fortschritte gemacht. Die Studie des Mercator-Instituts macht aber deutlich, wo es noch Nachholbedarf gibt. Die KMK wird sowohl bei der Lehrerbildung als auch bei der Sprachbildung ihre Anstrengungen fortsetzen und weitere Initiativen starten“, so Löhrmann. 
„Durchgängige Sprachbildung in der Schule“ ist eine Konferenz des Mercator-Instituts mit Unterstützung des Ministeriums für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen und des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln.
Die Studie hat auch untersucht, wie Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache im Referendariat und in der Fortbildung von Lehrkräften verankert sind. Nur in Berlin gibt es einen verpflichtenden Ergänzungskurs für alle Referendare, darüber hinaus werden die Themen in den Verordnungen in Bremen und im Saarland erwähnt, jedoch ohne klare Vorgaben zur Umsetzung. 
Die Fortbildungslandschaft ist stark dezentral organisiert, hier lassen sich kaum quantifizierbare Angaben machen. „Dem Thema Lehrerfortbildung werden wir uns zukünftig verstärkt widmen. Hier muss insbesondere ein qualitatives Umdenken stattfinden. Einzelfortbildungen für einzelne Lehrer werden kaum zu einem durchgängigen Sprachförderkonzept an der Schule führen. Fortbildungsangebote müssen sich daher verstärkt Schulentwicklungsprozessen widmen und der Frage, wie diese angestoßen werden können“, kündigt Barbara Baumann an, Autorin der Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Mercator-Institut.
Eine Infografik sowie eine Tabelle mit den zentralen Ergebnissen können Sie hier herunterladen:
Die vollständige Publikation können Sie hier herunterladen:
Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an:
Anna Kleiner, Kommunikation
Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache
Tel. 0221 – 470 7700
Über das Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache
Das Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache ist ein von der Stiftung Mercator initiiertes und gefördertes Institut der Universität zu Köln. Ziel des Instituts ist es, langfristig die sprachliche Bildung an deutschen Schulen zu verbessern, damit alle Schülerinnen und Schüler gute Chancen auf eine erfolgreiche Bildungskarriere haben. Es berät Hochschulen dabei, Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerausbildung zu verankern, fördert, vermittelt und betreibt anwendungsorientierte Forschung und trägt zur Qualifizierung von Lehrenden in Schule und Hochschule bei. Darüber hinaus beobachtet und berät es Bildungspraxis, -verwaltung und -politik.
Weitere Informationen unter www.mercator-institut-sprachfoerderung.de

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