Pressemitteilung
Berlin, 02.11.2018

In weiten Teilen Europas verzeichnen rechtspopulistische Bewegungen und Parteien seit einigen Jahren bemerkenswerte Wahlerfolge. Als Grund wird häufig die ‚Flüchtlingskrise‘ genannt. Eine Studie des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) an der TU Dresden kommt zu einem anderen Ergebnis. Das Team von 14 Forscherinnen und Forschern hat in einer breiten vergleichenden Studie die Zusammenhänge zwischen Migration und Populismus in Europa untersucht. Sie sehen Migration zwar als Katalysator, nicht aber als Ursache rechtspopulistischer Erfolge. Die eigentlichen Ursachen des Phänomens Rechtspopulismus liegen tiefer und spiegeln starke gesellschaftliche Verwerfungen wider.
„Die ‚Flüchtlingskrise‘ hat latente Konfliktlinien in und zwischen den europäischen Gesellschaften offengelegt oder verschärft. Viele der heute aufbrechenden Konflikte waren schon da, fanden aber noch keine Artikulation.“, sagt Hans Vorländer, der als Direktor von MIDEM die Studie verantwortet. Die Konfliktlagen in Europa sind vielfältig und können nicht auf eine einzige Ursache reduziert werden: Einige Konflikte sind kultureller, andere sozioökonomischer oder politischer Natur. Durch Migration werden regionale und landesspezifische Spaltungen sichtbar – etwa zwischen Ost und West in Deutschland, zwischen Norden und Süden in Italien und zwischen Zentrum und Peripherie in Großbritannien. Deutlich geworden sind auch Spannungen zwischen Mittel- und Westeuropa.
Die Studie zeigt zudem, dass der starke Anstieg ein- und durchreisender Flüchtlinge und Migranten nur anfänglich entscheidend für die Mobilisierung rechtspopulistischer Anhängerschaft gewesen ist. Heute profitieren rechtspopulistische Parteien vor allem von der nach wie vor hohen Bedeutung (‚Salienz‘) des Themas Migration in der Öffentlichkeit. Diese steht nicht mehr in direktem Zusammenhang zu der Zahl der ankommenden Asylsuchenden, sondern wird durch starke Medialisierung und gezielte Politisierung beeinflusst.
Angesichts dieser Ergebnisse empfehlen die Forscher, in doppelter Hinsicht zu differenzieren: Die Ursachen rechtspopulistischer Erfolge sind in verschiedenen Teilen Europas unterschiedlich und müssen also auch unterschiedlich behandelt werden. Außerdem sollte die Politik auch bei der Frage nach konkreten Maßnahmen im Umgang mit Populismus genauer hinsehen: Flüchtlingspolitik allein kann nicht die Antwort sein. Es müssen vielmehr die tiefer liegenden Spannungen in europäischen Gesellschaften adressiert werden.
Der 1. Jahresbericht des Mercator Forums Migration und Demokratie steht unter folgendem Link zum Download bereit: https://forum-midem.de/publikationen/. Er bietet Hintergrundanalysen zu den Zusammenhängen zwischen Migration und Populismus in folgenden Ländern: Deutschland, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich.
Das Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) ist ein interdisziplinäres Forschungszentrum der Technischen Universität Dresden in Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen, gefördert durch die Stiftung Mercator. Es fragt danach, wie Migration demokratische Politiken, Institutionen und Kulturen prägt und zugleich von ihnen geprägt wird.
Untersucht werden Formen, Instrumente und Prozesse politischer Verarbeitung von Migration in demokratischen Gesellschaften – in einzelnen Ländern und im vergleichenden Blick auf Europa. Weitere Informationen über MIDEM können Sie gerne unserer Website entnehmen.
Informationen für Journalisten:
Felicitas von Mallinckrodt
Leiterin Wissenschaftliche Kommunikation
TU Dresden
MIDEM – Mercator Forum Migration und Demokratie
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