Pressemitteilung
Berlin, 13.06.2018

Wer grenzüberschreitend Asyl sucht, ist meist gezwungen, sich auf irreguläre und gefährliche Fluchtwege zu begeben. International wird darüber diskutiert, enger mit Drittstaaten zusammenzuarbeiten und sichere legale Wege auszubauen: Staaten können v. a. über Resettlement („Neuansiedlung“), aber auch über humanitäre Aufnahmeprogramme und sog. private Sponsorenprogramme Flüchtlinge direkt in ihren Herkunftsregionen auswählen und aufnehmen. Bislang profitieren allerdings nur sehr wenige Flüchtlinge von diesen geregelten und sicheren Verfahren. Der Forschungsbereich beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat in einem Policy Brief die Chancen und Grenzen von Resettlement analysiert. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Resettlement kurzfristig in Anbetracht des niedrigen Ausgangsniveaus der Kontingente und der hohen Flüchtlingszahlen weltweit das territoriale Asyl nicht ersetzen kann, dass aber ausgebaute aktive Aufnahmeprogramme ein wichtiger Baustein einer verantwortungsvollen globalen Flüchtlingspolitik sind.
Angesichts des insbesondere seit 2015 gesteigerten Zuzugs Schutzsuchender nach Europa erscheinen die flüchtlingspolitischen Instrumente der EU sowie anderer westlicher Industrienationen nicht mehr ausreichend – und das, obwohl nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge weltweit in diesen Ländern ankommt: Der allergrößte Teil (rund 84 Prozent) lebte Ende 2016 in Entwicklungs oder Schwellenländern, von denen viele an Konfliktregionen grenzen. Die Staatengemeinschaft konnte sich bislang nicht auf eine gemeinsame Politik einigen, wie Verantwortung international geteilt und Flüchtlinge aufgenommen werden sollten. Die individuell organisierte, oft risikoreiche Flucht und irreguläre Einreise mit anschließendem Asylantrag ist daher nach wie vor der aussichtsreichste Weg, um in Europa Schutz zu finden.
Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, Schutzsuchende direkt vom Ort ihrer ersten Zuflucht aufzunehmen. Resettlement – also die organisierte und dauerhafte Neuansiedlung von Schutzbedürftigen aus einem Erstzufluchtsstaat in einem Drittstaat – ist global betrachtet die bedeutsamste Form. Resettlement war besonders nach dem Zweiten Weltkrieg und während des Kalten Krieges die bevorzugte Maßnahme, um mit dem weltweiten Flüchtlingsaufkommen umzugehen. Zwar leben gegenwärtig weltweit etwas mehr als 17 Millionen Flüchtlinge außerhalb ihres Herkunftslandes, aber 2017 gelangten weniger als 100.000 Personen mittels Resettlement in ein sicheres Aufnahmeland. Karoline Popp, Autorin des Policy Briefs, resümiert vor diesem Hintergrund: „Um komplexen Fluchtsituationen effektiver begegnen zu können, sollten Resettlement-Kontingente erhöht und situationsgerecht durch alternative Modelle wie humanitäre und private Aufnahmeprogramme ergänzt werden.“
Allerdings ist das globale Resettlement-Kontingent in den letzten Jahren eingebrochen, nicht zuletzt aufgrund von Politikwechseln in traditionellen Resettlement-Ländern, insbesondere den USA. Demgegenüber stehen Bemühungen auf europäischer und globaler Ebene, Resettlement und andere Aufnahmemodelle auszubauen und zu verbessern. Karoline Popp unterstreicht: „Der Zugang zum Asyl muss auf jeden Fall gewährleistet bleiben. Denn er wird auf absehbare Zeit für die meisten Flüchtlinge der einzig verfügbare Schutzweg bleiben.“ Jedoch biete sich für Staaten die Möglichkeit, verschiedene Aufnahmemodelle zu kombinieren, um damit flexibel handeln und unterschiedlichen Fluchtsituationen und Schutzbedarfen gerecht werden zu können. Der Policy Brief empfiehlt, sowohl das territoriale Asyl als auch Resettlement und andere Formen der aktiven Aufnahme als Teil einer umfassenden Flüchtlingspolitik zu verstehen, auszubauen und weiterzuentwickeln. Private Sponsorenprogramme, die auf einem verstärkten zivilgesellschaftlichen Engagement bei der Flüchtlingsaufnahme beruhen, könnten darüber hinaus die Integration und den sozialen Zusammenhalt fördern.
Am 25. und 26. Juni 2018 finden die „Annual Tripartite Consultations on Resettlement“ statt – in diesem Jahr unter deutschem Vorsitz in Genf. Die internationale Gemeinschaft wird bei dieser Gelegenheit Handlungsoptionen, Herausforderungen und Lösungswege in der zukünftigen Resettlement-Politik erörtern. Deutschland hatte 2008 erstmals ein Resettlement-Programm aufgelegt. „Die Absicht der Bundesregierung, sich mit 10.200 Plätzen am aktuellen EU-Resettlement Programm zu beteiligen, sowie die Überlegungen, ein Pilotprojekt für ein bundesweites privates Sponsorenprogramm aufzulegen, sind in diesem Kontext besonders zu begrüßen“, sagt Dr. Jan Schneider, der Leiter des SVR-Forschungsbereichs. „Resettlement und andere Programme der aktiven Aufnahme bilden wichtige Bausteine einer umfassenden Flüchtlingspolitik. Sie können ihr Potenzial aber nur dann entfalten, wenn sie finanziell deutlich aufgestockt und im Sinne globaler Verantwortungsteilung möglichst verlässlich konzipiert werden.“
Der Policy Brief „Zukunft der Flüchtlingspolitik? Chancen und Grenzen von Resettlement im globalen, europäischen und nationalen Rahmen“ des SVR-Forschungsbereichs gibt Akteurinnen und Akteuren in Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Medien eine systematische Analyse des aktuellen Stands der Resettlement-Politik sowie anstehender Grundsatz- und Richtungsfragen in die Hand. Das Projekt wurde von der Stiftung Mercator gefördert.
Den Policy Brief, eine Infografik, zwei Diagramme sowie das Datenblatt „Resettlement: Die wichtigsten
Zahlen auf einen Blick“ können Sie hier herunterladen.
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