Das Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache fordert von einer künftigen Bundesregierung ein abgestimmtes Vorgehen vom Elementarbereich bis zur Hochschule: Bundesländerübergreifende Qualitätsstandards für Sprachstandsverfahren im Elementarbereich definieren, Standards für die Qualifizierung von Lehrkräften für durchgängige Sprachbildung entwickeln, Hochschulen bei der Qualifizierung von Lehrkräften unterstützen.
In dieser Woche beginnen die Koalitionsverhandlungen. Bereits in den Sondierungsgesprächen waren Investitionen in Bildung und Forschung ein politisches Leitthema. Im nächsten Schritt muss es jetzt darum gehen, einen inhaltlichen Fahrplan für die kommende Legislaturperiode zu entwickeln. Unbestritten ist: Sprachliche Bildung ist eine zentrale Voraussetzung für Bildungserfolg. Auf diesem Feld besteht ein dringender Handlungsbedarf. Vergleichsstudien wie IGLU, PISA und zuletzt PIAAC kommen immer wieder zu dem Schluss, dass bis zu ein Sechstel der deutschen Bevölkerung nicht über ausreichende Lesekompetenzen verfügt, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.
Sprachliche Bildung und Sprachförderung fällt in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Gleiche Chancen für alle Kinder und Jugendlichen herzustellen und die Bildungsstandards zu sichern ist jedoch eine Aufgabe, die Bund und Länder nur gemeinsam bewältigen können. Die Weiterentwicklung des Bildungssystems und dessen wissenschaftliche Begleitung dürfen nicht an getrennten Zuständigkeiten scheitern, sondern erfordern ein abgestimmtes Vorgehen vom Elementarbereich bis zur Hochschule. Das Mercator-Institut empfiehlt daher folgende Punkte für die inhaltliche Ausrichtung der deutschen Bildungspolitik:
Vergleichbare Qualitätsstandards für Sprachstandsverfahren im Elementarbereich
Die Chance eines Kindes auf Sprachförderung vor dem Schuleintritt hängt derzeit davon ab, in welchem Bundesland es aufwächst. Die Bundesländer haben unterschiedliche Verfahren zur Feststellung des Sprachstandes entwickelt und umgesetzt. Die angewendeten Testverfahren variieren jedoch stark: Teilweise werden nur bestimmte Gruppen von Kindern getestet, die Förderquote schwankt je nach Bundesland zwischen zehn und 50 Prozent. Die Bundesregierung muss mit den Ländern in einen Dialog darüber eintreten, wie eine Vergleichbarkeit der eingesetzten Sprachstandsverfahren erreicht werden kann. Prioritäres Ziel sollte dabei sein, Qualitätsstandards zu definieren, die wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen und gleichzeitig in der Praxis umsetzbar sind.
Eine Expertenkommission hatte auf Initiative des Mercator-Instituts im Mai 2013 einen Kriterienkatalog vorgelegt, welche Qualitätsmerkmale Sprachstandsverfahren im Elementarbereich erfüllen sollen. „Großer Nachholbedarf besteht noch darin, die Diagnostik des Förderbedarfs enger mit den anschließenden Fördermaßnahmen zu verschränken. Dafür setzen wir uns auch bei der wissenschaftlich-fachlichen Beratung im Rahmen der Bund-Länder-Initiative ‚Bildung durch Sprache und Schrift’ (BiSS) ein“, erklärt Prof. Dr. Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache und Sprecher des Trägerkonsortiums, das für die Koordination und wissenschaftliche Ausgestaltung der Initiative verantwortlich ist.
Qualifizierung von Lehrkräften für eine durchgängige Sprachbildung
Lehrer müssen dafür aus- und fortgebildet werden, den Sprachförderbedarf ihrer Schüler zu erkennen und sie angemessen zu fördern. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IPSOS im Auftrag des Mercator-Instituts gaben nur acht Prozent der Lehrer an, dass das Thema Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache ein verpflichtender Teil ihrer universitären Ausbildung war. Ihnen fehlt damit ein zentraler Teil der Vorbereitung auf den praktischen Schulalltag. Auch Angebote in der Fort- und Weiterbildung können diese Ausbildungslücke nicht schließen. Bund und Länder müssen sich gemeinsam der Aufgabe stellen, Kompetenzprofile und Standards für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften im Bereich Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache zu entwickeln. „Einige Bundesländer haben Deutsch als Zweitsprache und Sprachförderung bereits als verpflichtenden Bestandteil in das Lehramtsstudium integriert. Diese Erfahrungen sollten als Ausgangsbasis für die Weiterentwicklung und den Transfer in weitere Bundesländer dienen“, so Michael Becker-Mrotzek.
Die Hochschulen müssen bei der standortspezifischen Umsetzung solcher Standards unterstützt werden. Bisher gibt es kaum ausreichend Lehrkräfte an Hochschulen, um Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache flächendeckend an alle Lehramtsstudierenden zu vermitteln. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die strukturellen Voraussetzungen für diesen Prozess zu schaffen. Ein zentraler Hebel in den nächsten Jahren wird die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ sein. Die Frage, wie zukünftige Lehrkräfte auf die sprachliche und kulturelle Heterogenität im Klassenzimmer vorbereitet werden können, sollte eine zentrale Rolle spielen. „Wünschenswert wäre, das Bund und Länder Möglichkeiten finden, Initiativen wie diese zu verstetigen“, fordert Michael Becker-Mrotzek.
Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an:
Anna Kleiner, Kommunikation
Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache
Universität zu Köln
Tel. 0221 – 470 7700
www.mercator-institut-sprachfoerderung.de