Pressemitteilung
07.03.2012

Die Salvatorkirche ist ein schöner Ort für die 5. Mercator Lecture. Ein sakrales Diskussionsforum, das schön die Verbindung von gestern und heute schlägt. Das ist auch ein Thema des Abends: Gerhard Mercator, als Vermesser und Vermittler von Wissen vor 500 Jahren, im Vergleich zu Jimmy Wales, dem Weltvermesser und Vermittler von Wissen in der heutigen Zeit.

Zur Einstimmung spielt die Musikerin Hanna Meyerholz das Stück „Stay“ auf der Gitarre. Hierauf begrüßt der Staatssekretär a.D. und Vorsitzender des Beirats der Stiftung Mercator, Rüdiger Frohn, die Gäste. Er betont die Verpflichtung des Namens Mercator für die Stiftung, deren Ziele die Förderung von Weltoffenheit, Toleranz, interkulturelle Begegnungen und der Austausch von Wissen und Kultur sind. Frohn verwies darauf, dass Mercator ein außerordentliches Netzwerk an internationalen Zuträgern für seine Vermessungsarbeit besaß, Mercator selber wenig gereist sei. Das Stichwort „Netzwerk“ leitet zum viel erwarteten Sprecher Jimmy Wales über: „Lebte Mercator heute, wäre das Internet wohl sein Medium der Wahl gewesen.“

Wales und die Wikipedia-Grundsätze

Nach einer gut einstudierten deutschen Begrüßung wechselt Wales ins Englische. Wer denn Wikipedia benutze, fragt er. So ziemlich alle Hände schnellen in die Höhe. „This was just to wake you up“, kommentiert er scherzhaft. Auf die Anschlussfrage, wer denn schon mal aus Wikipedia editiert habe, sind deutlich weniger Handzeichen zu registrieren. Wales gibt in den folgenden 30 Minuten einen Überblick über die Entwicklung Wikipedias seit 2001 und über die Unterschiede in den verschiedenen Ländern. So öffnet sich auch langsam China für Wikipedia. Wales nennt einige kurze statistische Fakten:

So sind 87% aller aktiven Wikipedia-Nutzer (also, diejenigen, die Artikel einstellen und editieren) männlich: „We are not happy with that number.“ Die Frauen dürfen gerne aufholen. Im Durschnitt ist der Wikipedia-Nutzer 26 Jahre alt und gut gebildet. Wikipedia gibt es in 270 Sprachen und zählt monatlich 460 Millionen unique visitors. Die Entwicklung ist wirklich imposant. Wer schreibt für die Seite? Wie sieht das Unternehmen Wikipedia aus? Sind die Inhalte neutral und wertig? Wikipedia ist gemeinnützig und finanziert sich ausschließlich aus Spenden, betont Wales mehrmals an diesem Abend. Die Community, die er in zwei Videos beispielhaft vorstellt, reglementiert sich selbst nach folgenden Grundsätzen:

  • Wikipedia ist eine Enzyklopädie
  • NPOV (neutral Point of view – Einhalten eines neutralen Standpunkts)
  • Free Licensing (frei lizensierte Artikel)
  • Civility (Anstand/ Höflichkeit)
  • IAR (ignore all rules – nicht alle Regeln brechen, sondern es ist kein Muss alle Regeln auswenig zu können, um am Projekt Wikipedia mitzumachen)

Die Demokratie im Internet ist im Sinne Wikipedias eine Kombination aus geregelter Partizipation, von Konsens und dem Teilen von Wissen.

Jimmy Wales – eine Majestät?

Nach Wales‘ Vortrag übernimmt der gut aufgelegte Michael Naumann, Chefredakteur des Magazins Cicero, das Ruder:

„Wir haben Zeit bis 19:48 Uhr für eine Diskussion. Wir sind hier bei der Stiftung Mercator, hier stimmen die Koordinaten!“ Mit einem zwinkernden Auge fragt Naumann, ob er Wales mit „your majesty“ ansprechen soll, da dieser sich in seinem Vortrag vorab mit Queen Elizabeth verglichen hat, da er wie diese nicht wirklich Macht habe, aber doch mit seiner Repräsentation wichtige Arbeit leiste. Er eröffnet die Diskussion, indem er noch einmal kritisch nachfragt, was denn die Beweggründe waren, die Online-Enzyklopädie zu gründen. „I was a geek“, ist die humorige Antwort. Naumann fragt, wie denn gewährlistet werden könne, dass Wikipedia wirklich neutral sei und nicht für Racheakte oder ähnliches genutzt werde. Ausschließen könne er das nicht, aber die Community regle das bis dato sehr gut und er habe da Vertrauen, entgegnet der Amerikaner. Die Frage nach dem Copyright ist eine komplexe. Eine einfache Antwort könne er nicht geben. Die Gewohnheiten der Mediennutzer hätten sich geändert, darauf müssten die relevanten Anbieter reagieren. Neue Businessmodelle seien vielleicht die Lösung. Die neuen Apps und ihre Möglichkeit, durch einen einfachen Klick Erträge zu generieren, sei vielleicht ein guter Weg. Aus dem Publikum kommt die Frage, ob Wales nicht die Majestät des Halbwissens sei, da Wikipedia nur oberflächliches Wissen beinhalte und Nutzer abhalte weiter oder tiefgründiger zu recherchieren. Wales reagiert gelassen: Wikipedia sei als allgemeines Nachschlagewerk gedacht, nicht als Quelle für Fachwissen. Zudem würden die Artikel auf weitergehende Literatur verweisen. Zwei weitere Fragen werden noch beantwortet (die Zukunft des Journalismus gibt für Wales Anlass zur Sorge, gerade im Sektor des Lokaljournalismus) und Werbung ist für das Nachschlagewerk nicht das Richtige.

Bernhard Lorentz, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, schließt die Veranstaltung, indem er noch einmal die Verbindung Mercators zur Stiftung herausstellt, das Leitbild der Stiftung skizziert und die Projekte der Stiftung im Mercator-Jahr 2012 präsentiert. Dazu gehören die Verleihung des niederrheinischen Kabarettpreises “Das schwarze Schaf” sowie das Jugendcamp Crossroutes 51° im Juli.
Weitere Informationen zum Mercator-Jahr 2012
Dieser Beitrag stammt aus dem Blog www.gerhard-mercator.de. 

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Lothar Kuhn
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