Pressemitteilung
10.04.2011

Peking/Essen, 11. April 2011. Mit den Themen Holzschnittkunst und Sprache waren die ersten beiden Salons der Stiftung Mercator im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Aufklärung im Dialog“ befasst, die am 9. und 10. April in privaten Pekinger Galerien stattgefunden haben. Deutsche und chinesische Teilnehmer sprechen von einem „freiem und offenem Austausch“. Auch Werke von Ai Wei Wei wurden gezeigt. Am 2. April war die Veranstaltungsreihe feierlich von Bundesaußenminister Guido Westerwelle eröffnet worden.

Die Stiftung Mercator führt die Veranstaltungsreihe „Aufklärung im Dialog“ als wissenschaftliches Begleitprogramm zur Ausstellung „Die Kunst der Aufklärung“ in Peking durch. Die offiziellen Foren der Reihe veranstaltet die Stiftung in Partnerschaft mit dem National Museum of China. Davon unabhängig hat sie in eigener Verantwortung eine Reihe von Salons zum Thema initiiert, in denen sich deutsche und chinesische Intellektuelle in den kommenden 13 Monaten über philosophische, gesellschaftliche und künstlerische Aspekte der Aufklärung austauschen. Die Salonveranstaltungen sind dem klassischen Salon der Aufklärung nachempfunden. Sie sollen Orte für offene Gespräche über Kunst, Kultur und Philosophie sein.
 
In dem gestrigen Salon „Käthe Kollwitz, Lu Xun und das Holzschnittwerk Fang Lijuns“ diskutierten Heinrich Schulze Altcappenberg, Direktor des Kupferstichkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin, und Zhang Zikang, Direktor des Today Art Museum Peking, unter der Moderation von Michael Kahn-Ackermann, Leiter des Goethe-Instituts Peking, gemeinsam über die Grundlagen des Holzschnitts in Europa und China. Denn obwohl der Holzdruck als Kunstgattung in Europa und China bereits vor dem 20. Jahrhundert gleichermaßen verbreitet war, gingen die Künstler lange Zeit unterschiedliche Wege. Es wurden in dem Salon die europäisch-chinesischen Wechselwirkungen in der Geschichte der Holzdruckkunst herausgearbeitet und der Ausgangspunkt der „Holzschnitt-Bewegung“ in China mit der chinesischen Gegenwartskunst verbunden. Am Beispiel der Werke des Künstlers Fang Lijun wurde gezeigt, wie diese in der Tradition des Holzschnitts des 20. Jahrhunderts stehen. Schulze Altcappenberg zeigte auch verschiedene Arbeiten von Ai Wei Wei.

Das Thema des heutigen Salons war „Aufklärung und Sprache“. Sprache wurde als Medium für die Verbreitung der philosophischen Gedanken der Aufklärer thematisiert. Es wurde erörtert, welchen Einfluss europäische und chinesische Protagonisten der Aufklärung durch ihre Werke auf die Entwicklung ihrer Muttersprachen hatten. Gerda Haßler, Direktorin des Instituts für Romanistik der Universität Potsdam, und Fang Weigui, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft am Institut für Chinesische Sprache und Kultur der Beijing Normal University, sprachen aus ihrer jeweiligen Landessicht über den Einfluss der Sprache auf die Aufklärung. Anschließend lasen sie aus Texten bekannter Protagonisten. Moderator Kahn-Ackermann zitierte aus der UN-Charta zur Erklärung der Menschenrechte als mögliches Beispiel für eine Universalsprache der Aufklärung. In der Diskussion wurde darauf und auf die unterschiedliche Perzeption dieser Texte Bezug genommen. 
 
Stimmen zu den Salons:
Botschafter Dr. Michael Schaefer, Deutsche Botschaft Peking 
„In Deutschland hat die Ausstellung ‚Kunst der Aufklärung‘ eine lebhafte Debatte ausgelöst, bei der nachvollziehbare Fragen zu Sinn und Erfolg eines solchen Kulturprojekts gestellt werden. Verständlich sind solche Fragen vor allem vor dem Hintergrund der Versagung eines Visums für Tilman Spengler, der sehr intensiv in die Vorbereitung des Dialogprogramms eingebunden war, und der Verhaftung von Ai Wei Wei, der wie wenige für Aufklärung in China steht, wenngleich beide Ereignisse nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausstellung stehen. Dennoch ist es im Interesse eines um Aufklärung bemühten Austauschs, den Dialog nicht abbrechen zu lassen, sondern als Teil eines längerfristigen Prozesses zu begreifen. Die beiden ersten von insgesamt zehn ‚Salons zur Aufklärung‘ in zwei Pekinger Galerien am 9. und 10. April, zu denen zahlreiche chinesische Künstler und Intellektuelle, aber auch Studenten gekommen sind, haben das Interesse seitens der jüngeren Chinesen reflektiert, diesen Diskurs zu führen. Ich freue mich auf die kommenden Veranstaltungen!“  
 
Dr. Bernhard Lorentz, Geschäftsführer der Stiftung Mercator
„Mit dem Salonprogramm im Rahmen von ‚Aufklärung im Dialog‘ möchte die Stiftung Mercator einen Ort der Begegnung zwischen deutschen und chinesischen Intellektuellen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen schaffen. Der Salongedanke entspricht so dem Leitsatz der Stiftung Mercator in ihrer internationalen Arbeit ‚Einander verstehen, voneinander lernen und gemeinsam Herausforderungen meistern‘. Mit den ersten beiden Salons haben wir gezeigt, dass ein offener Austausch mit chinesischen Intellektuellen im Rahmen von „Aufklärung im Dialog“ in den von uns verantworteten Salons möglich ist. “

Prof. Dr. Michael Lackner, Professor für Sinologie, Universität Erlangen-Nürnberg
„Die revolutionäre chinesische Holzschnittbewegung, von Lu Xun, einem der bedeutendsten Vertreter der chinesischen Aufklärung der Moderne, im Shanghai der dreißiger Jahre initiiert, bereicherte die chinesische Kunst um eine neuartige Macht der Bilder, wie sie sich in den Holzschnitten von Käthe Kollwitz zeigt. Und noch heute ist dieser Einfluss auf die chinesische Kunstlandschaft in den Kunstwerken von Künstlern wie Fang Lijun zu erkennen."

Prof. em. Dr. Lothar Ledderose, Institut für Kunstgeschichte Ostasiens, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
„Nach meiner Einschätzung ist es richtig und wichtig, diesen Dialog, so wie er durch die Ausstellung und in den Foren und Salons, die von der Stiftung Mercator verantwortet werden, zu führen. Das erste Forum hat Grenzen, aber auch die Möglichkeiten einer solchen Plattform gezeigt. Dabei sollte die deutsche Seite ihre Wirkungsmacht auf China nicht überschätzen, aber nur im Dialog kann es weitergehen.“ 

Prof. Dr. rer. pol Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Professor für Politik Chinas und Ostasiens, Freie Universität Berlin  
„Dass ein Salonprogramm zum Thema Aufklärung ohne Einflussnahme chinesischer Stellen möglich ist, wäre vor einigen Jahren nicht denkbar gewesen. Gerade in schwierigen Zeiten dürfen Dialoge nicht abgebrochen werden, wenn man etwas für die Betroffenen vor Ort bewirken will. Der Versuch, einen echten Dialog mit China zu führen, ist alternativlos.“

Christine Cayol, Gründerin, Yishu 8 
„Yishu 8, an unconventional and creative oasis in the heart of Beijing’s CBD, warmly welcomes Stiftung Mercator’s Events with which we share a common inestimable value of enlightenment through art, dialogue and cross-cultural exchanges.“

Michael Kahn-Ackermann, Leiter des Goethe-Instituts Peking und Moderator der ersten beiden Salons
„Die Veranstaltungen haben die Vermutung bestätigt, das diese Art direkter Kommunikation notwendig ist, aber auch nicht einfach, und dass es einen langen Atem braucht. Wir haben heute gezeigt, dass die sprachliche Verständigung ihre Schwierigkeiten hat, jedoch waren dies erste sinnvolle Schritte. Ich finde es gut, dass die Stiftung Mercator sich entschieden hat, die Reihe weiterzuführen.“

Fang Weigui, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft am Institut für Chinesische Sprache und Kultur der Beijing Normal University, Gast beim Salon am 9. April
„Ich fand den Salon gut, und denke, dass in Zukunft noch mehr die Verbindung zwischen Wissenschaft und Allgemeinbildung betont werden sollte. Aufklärung beginnt beim Kampf gegen die Dummheit."

Über „Aufklärung im Dialog“
Als Begleitprogramm der Ausstellung „Die Kunst der Aufklärung“ führt die Stiftung Mercator die Veranstaltungsreihe „Aufklärung im Dialog“ durch. Die offiziellen Foren der Reihe veranstaltet sie in Partnerschaft mit dem National Museum of China. Davon unabhängig hat sie in eigener Verantwortung eine Reihe von Salons zum Thema initiiert, in denen deutsche und chinesische Intellektuelle sich über philosophische, gesellschaftliche und künstlerische Aspekte der Aufklärung austauschen. Die Salonveranstaltungen sind dem klassischen Salon der Aufklärung nachempfunden. Sie sollen Orte für offene Gespräche über Kunst, Kultur und Philosophie sein.

Die Stiftung Mercator stellt dafür insgesamt rund 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das Programm besteht aus fünf Dialogblöcken und umfasst die gesamte Dauer – Frühling 2011 bis Frühling 2012 – von „Die Kunst der Aufklärung“, einer Ausstellung der Staatlichen Museen zu Berlin, der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München in Zusammenarbeit mit dem National Museum of China. Die Ausstellung wird ermöglicht durch das Auswärtige Amt und gefördert durch die BMW Group. 

Jedes offizielle Forum besteht aus einer öffentlichen Vorlesung und Podiumsdiskussion. Neben dem Programm im National Museum of China führt die Stiftung Mercator an verschiedenen Orten in Peking eine Reihe von Salons zum Thema durch, in denen deutsche und chinesische Intellektuelle sich über philosophische, gesellschaftliche und künstlerische Aspekte der Aufklärung austauschen. Die Veranstaltungsreihe, die von einer deutsch-chinesischen Expertengruppe entwickelt wurde, wird die Grundlagen der europäischen und chinesischen Aufklärung beschreiben. Mitglieder der Expertengruppe sind u. a. der Publizist und Historiker Tilman Spengler, der Soziologe Wolf Lepenies sowie Huang Ping, Professor an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, und der Direktor der Zentralakademie der bildenden Künste, Pan Gongkai.
nora.neuwinger@stiftung-mercator.de

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