Bundespräsident Joachim Gauck empfing am heutigen Freitag die Teilnehmenden der diesjährigen Jungen Islam Konferenz (JIK). Das Staatsoberhaupt begrüßte die 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Schloss Bellevue zu einem Gespräch über das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen in Deutschland. Im Anschluss kamen die Jugendlichen zu einer Diskussion mit Parteivertretern im Bundeshaus des Bundesinnenministeriums zusammen. Die Junge Islam Konferenz ist ein Projekt der Stiftung Mercator und der Humboldt-Universität zu Berlin.
Bundespräsident Joachim Gauck: „Wir leben hier zusammen, mit verschiedenen religiösen und kulturellen Wurzeln, und das verändert uns alle. Umso wichtiger, dass offen über Chancen und Schwierigkeiten gesprochen wird. Und vor allem: dass den vorhandenen Vorurteilen und Pauschalisierungen Aufklärung entgegengesetzt wird. Die Junge Islam Konferenz ist ein gutes Forum für einen neugierigen, vorurteilsfreien und respektvollen Dialog.“
Nach der offiziellen Begrüßung durch den Bundespräsidenten sprachen die JIK-Teilnehmerin Tutku Güleryüz und der Vorsitzende der Geschäftsführung der Stiftung Mercator, Prof. Dr. Bernhard Lorentz. „Die Junge Islam Konferenz ist ein zentraler Think Tank zum Thema Islam und Muslime in Deutschland, in dem sich junge Menschen konstruktiv austauschen und ihre Vorstellungen in den öffentlichen Diskurs einbringen“, sagte Prof. Dr. Bernhard Lorentz. „Dass wir heute hier im Schloss Bellevue zu Gast sein dürfen, beweist, dass die Junge Islam Konferenz ein wichtiges Gremium geworden ist, dessen Stimme auch von den Entscheidern im politischen Berlin gehört wird.“
JIK-Teilnehmerin Tutku Güleryüz (23 Jahre, Studentin in Berlin): „Unser Land verändert sich und wir alle, die wir heute die Ehre haben, von Bundespräsident Gauck eingeladen worden zu sein, sind ein Teil dieses Landes – ob mit oder ohne Migrationshintergrund, ob muslimisch oder nicht, religiös und auch nicht. Wir, die Junge Islam Konferenz, sind so, wie Deutschland gerade ist – vielfältig, normal, kritisch, manchmal zweifelnd, in Bewegung und neugierig.“
Im Anschluss kamen die Teilnehmer der Jungen Islam Konferenz zu ihrem zweiten Arbeitstreffen im Bundeshaus zusammen. Nach den Begrüßungen durch Bernhard Lorentz und Thomas Herzog, Ministerialdirigent im Bundesministerium des Innern, führte Dr. Naika Foroutan, die mit ihrem Forschungsteam an der Humboldt-Universität zu Berlin das Projekt seit drei Jahren wissenschaftlich verantwortet, in die Ziele der Konferenz ein. „Die Beschäftigung mit Einstellungen gegenüber Muslimen ist für uns zentral, weil diese letztlich die Einstellungen gegenüber einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung reflektieren. Denn die Akzeptanz einer pluralen, vielfältigen Gesellschaft als deutsche Lebensrealität lässt sich am Umgang mit und der Einstellung zu kulturellen, ethnischen, religiösen oder nationalen Minderheiten in der Gesellschaft messen. Am Umgang mit dem Thema ‚Islam in Deutschland‘ lässt sich daher ablesen, wie sehr man tatsächlich bereit ist, dieses Land als vielfältiges Einwanderungsland wahrzunehmen und anzunehmen“, so Foroutan.
Danach kamen die Teilnehmer, moderiert durch Esra Kücük, Projektleiterin der Jungen Islam Konferenz, ins Gespräch mit Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sevim Dagdalen, Integrationspolitische Sprecherin DIE LINKE, Armin Laschet, Stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU, Mechthild Rawert, Mitglied der Bundestagsfraktion der SPD, und Serkan Tören, Integrationspolitischer Sprecher der FDP. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie der Dialog zwischen Staat und Muslimen in Zukunft auf Bundesebene gestaltet werden kann. Anlass ist die Tatsache, dass das Arbeitsprogramm der 2006 vom Bundesinnenministerium ins Leben gerufenen Deutschen Islam Konferenz (DIK) vorerst auf die laufende Legislaturperiode begrenzt ist. Ihr Konzept für eine Verstetigung des Dialogs werden die Jugendlichen im Mai dem Bundesinnenminister und den Teilnehmern der Deutschen Islam Konferenz anlässlich ihrer abschließenden Plenarsitzung überreichen.
Die Junge Islam Konferenz findet bereits zum dritten Mal statt. 2011 haben die Stiftung Mercator und die Humboldt-Universität zu Berlin mit dem Pilotprojekt das erste wissenschaftsbasierte Dialogforum dieser Art für Jugendliche in Deutschland ins Leben gerufen. Hier setzen sich die Jugendlichen begleitet durch ein Team von Wissenschaftlern der Humboldt-Universität zu Berlin mit der pluralen Alltagsrealität und den daraus entstehende Reibungen in der deutschen Einwanderungsgesellschaft auseinander, exemplarisch am Themenfeld „Islam und Muslime in Deutschland“. Als Multiplikatoren tragen sie dann ihr in den Konferenzphasen und darüber hinaus erworbenes Wissen in ihre Kommunen, Schulen, Familien und ihren Lebensalltag zurück.
2012 fand die zweite JIK statt. Die Bundeskonferenz 2013 der JIK bildet den Startschuss für die Fortführung des Projekts, das von nun an auf Bundes- und Länderebene stattfinden wird. Die Junge Islam Konferenz bietet Jugendlichen mit und ohne muslimischen Hintergrund die Möglichkeit, sich über die Rolle, die Bilder und die Diskurse über Islam und Muslime in Deutschland auszutauschen.
Weitere Zitate von Teilnehmern
Fatih Cicek (21 Jahre, Student aus Bochum): „Integration und Partizipation erfolgen meines Erachtens durch den Zustand der Normalität. Das harmonische Zusammenspielen der Medien, der Politik und der Muslime selbst wird folglich dazu führen, dass Muslime nicht mehr als Muslime, sondern eben als Kulturwissenschaftler, Sportler, Dozenten und Lehrer wahrgenommen werden.“
Dunja Ramadan (21 Jahre, Studentin aus München): „Ich sehe uns junge Muslime in der Pflicht, durch aktives Zutun ein unverzichtbarer Teil der deutschen Gesellschaft zu werden. Wir müssen viel nachholen, was bisher auf der Strecke blieb – sei es im Bereich Bildung, in der die Chancengleichheit leider noch nicht die Regel ist, und auch im Bereich der Medien, in dem der Islam und die Muslime oft verzerrt und realitätsfern dargestellt werden. Ich persönlich sehe meinen zukünftigen Bereich in den Medien. Denn leider wird nur über uns statt mit uns geredet – und leider noch viel seltener wird VON uns geschrieben und das muss sich dringend ändern.“
Khaldun Al Saadi (22 Jahre alt, Student aus Leipzig): „Den Konsens finden – Unterschiede akzeptieren und friedlich zusammenleben. In den letzten Jahren habe ich mich immer stärker mit der Frage beschäftigt, wie Muslime trotz Vorurteile und Ängste, trotz Aufstreben radikaler Stimmen im Internet, ihren Platz in der Gesellschaft finden: den Platz in der Mitte. […] Umso stärker ist nun das Bedürfnis, mit anderen etwas zu bewegen.“
Über die Junge Islam Konferenz
Die Junge Islam Konferenz (JIK) ist das erste wissenschaftsbasierte Dialogforum für junge Menschen mit und ohne muslimischem Migrationshintergrund zum Austausch über die Rolle von Islam und Muslimen in Deutschland. Sie ist ein Projekt der Stiftung Mercator und der Humboldt-Universität zu Berlin. Als bundesweites Forum ist die JIK unter der Leitung von Dr. Naika Foroutan ein forschungsbasierter Akteur der außerschulischen politischen Bildungsarbeit, der eine junge, herkunftsübergreifende Sichtweise auf Auseinandersetzungen mit dem sich verändernden Deutschland ermöglicht. In dem Projekt geht es darum, die Islam- und Muslimbilder in Deutschland sowie die derzeit stark defizitorientierten Diskurse zu thematisieren und junge, selbstverständlichere Vorstellungen von Vielfalt im öffentlichen Raum sichtbar zu machen.
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Weitere Informationen:
www.junge-islamkonferenz.de