„Stell dir vor, es ist Europa und keiner geht hin.“ Mit diesem Bild eröffnete Ulrike Guérot, Representative for Germany and Senior Policy Fellow des European Council on Foreign Relations, am Mittwochabend eine Diskussionsrunde der Stiftung Mercator zur Zukunft der europäischen Demokratie. Eine Handvoll Experten aus Frankreich, Spanien, England, Polen und Deutschland sollte der Frage nachgehen, warum die EU bei ihren Bürgern eigentlich so unbeliebt ist. Was müsste sich ändern, damit europäische Themen ihren Weg zurück an den Küchentisch finden können? Man kann den Leuten ihren EU-Verdruss kaum verdenken, fanden die Diskutierenden: Wirtschaftskrise, innenpolitische Probleme, Zukunftsangst.
Die Liste drängender Alltagsprobleme vieler EU-Bürger ist lang – und rasche Hilfe nicht in Sicht. Undurchsichtige Machtverhältnisse und lange politische Entscheidungswege laden nicht dazu ein, eigene Ideen einzubringen. Und nicht zuletzt haben 27 Mitgliedsstaaten auch 27 unterschiedliche Interessen; von einem grenzübergreifenden „European Mind“ kann noch keine Rede sein. Dennoch dürfen nationalstaatliche Begehren gesamteuropäischen Interessen nicht voran gestellt werden. Es müssen pragmatische Wege gefunden werden, um die EU-Bevölkerung bei der Lösung ihrer Alltagsprobleme zu unterstützen. Gegenseitiges Vertrauen und barrierefreie Kommunikation spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Soziale Netzwerke und pan-europäische Medienberichterstattung können hier einen wichtigen Beitrag leisten. Auch die Tatsache, dass EU-Themen in nationalen Wahlen der jüngeren Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist ein positives Signal. Spricht sie doch dafür, dass sich immer mehr Einwohner für die Politik ihrer Nachbarstaaten interessieren. Vielleicht könnte sogar eine medienwirksame Inszenierung der EU-Wahlen nach amerikanischem Vorbild die öffentliche Debatte auf europäische Themen lenken. Hauptsache, so beschlossen die Experten den Abend, Europa findet in unseren Köpfen wieder statt.