Berlin, 30. November 2011. In Deutschland zeichnet sich ein deutlicher Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften ab. Bereits heute gibt es in bestimmten Berufsgruppen, Branchen und Regionen spürbare Engpässe, so dass hier die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften nicht mehr gedeckt werden kann. In Industrie, Handwerk und Dienstleistungen werden schon jetzt Ingenieure, Metallerzeuger, Elektriker sowie Ärzte und Pflegekräfte gesucht. Der Fachkräftemangel wird sich in Deutschland durch den veränderten Altersaufbau der Gesellschaft noch einmal verschärfen. Denn infolge der demografischen Entwicklung nimmt auch das Erwerbspersonenpotenzial weiter ab.
Vor diesem Hintergrund haben Stiftung Mercator, Freudenberg Stiftung, Körber-Stiftung und Vodafone Stiftung Deutschland im vergangenen Frühjahr die Hochrangige Konsensgruppe Fachkräftebedarf und Zuwanderung initiiert, unterstützt durch begleitende Studien der Robert Bosch Stiftung. Die Konsensgruppe sollte Instrumente und Maßnahmen erarbeiten, mit deren Hilfe das Angebot an Fachkräften wirksam und nachhaltig erhöht werden kann. Im Besonderen sollte die Kommission Vorschläge für eine zeitgemäße Form der gesteuerten Zuwanderung nach Deutschland entwickeln.
Unter Leitung der beiden Vorsitzenden Peter Struck (SPD) und Armin Laschet (CDU) wirkten Rita Süssmuth (CDU), Julia Klöckner (CDU), Rudolf Seiters (CDU), Theo Waigel (CSU), Herta Däubler-Gmelin (SPD), Ludwig Stiegler (SPD), Monika Wulf-Mathies (SPD), Andreas Pinkwart (FDP), Irmingard Schewe-Gerigk (Grüne), Michael Vassiliadis (Vorsitzender IG Bergbau, Chemie, Energie), Arndt Kirchhoff (Bundesverband der deutschen Industrie / Bundesverband der deutschen Arbeitgeberverbände) in der Konsensgruppe mit. In insgesamt vier Arbeitssitzungen diskutierte und erarbeitete die Kommission einen umfangreichen Aktionsplan mit konkreten Handlungsempfehlungen. „Die deutsche Gesellschaft altert und schrumpft. Der Bedarf an Fachkräften wird zunehmen. Deswegen wird auch eine umsichtig gesteuerte Zuwanderung notwendig sein. Vorrangig aber sind ernsthafte und verstärkte Anstrengungen, bessere Bildungs- und Erwerbschancen für die Menschen zu schaffen, die in Deutschland leben. Das hat Priorität. Ohne diese Anstrengungen wird kein Konsens über verstärkte Zuwanderung herzustellen sein“, erklärten Peter Struck und Armin Laschet bei der Vorstellung des Abschlussberichts der Hochrangigen Konsensgruppe am Mittwoch in Berlin.
„Unsere Konsensgruppe war unabhängig und überparteilich zusammengesetzt. Unser Bestreben war, von Anfang an über Parteigrenzen und ideologische Gräben hinweg einen Konsens zu erzielen, der Politik und Gesellschaft signalisieren soll, dass es möglich ist, auch bei einem traditionell umkämpften Thema wie der Zuwanderung zu einer tragfähigen, gesellschaftlichen Einigung zu gelangen“, sagte Peter Struck.
Der Aktionsplan der Konsensgruppe umfasst einander ergänzende Maßnahmen. Zunächst sind die Anstrengungen darauf zu konzentrieren, den in Deutschland lebenden Menschen mehr Möglichkeiten auf Bildung und Erwerbstätigkeit zu eröffnen. Bildungs- und rentenpolitische Schritte wären hierfür ebenso erforderlich wie eine stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen und bessere Weiterbildungschancen für Menschen mit geringer Qualifikation und ohne abgeschlossene Berufsausbildung.
„Doch was immer wir unternehmen, um die Menschen in Deutschland besser zu qualifizieren und die Potenziale bei uns auszuschöpfen, das alles wird nicht reichen, um den Fachkräftebedarf zu decken. Deutschland braucht ergänzend eine gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland“, konstatierte Laschet. „Wir wollen keine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme. Gesteuerte Zuwanderung muss sich an den Engpässen auf dem Arbeitsmarkt und an den in Deutschland benötigten Qualifikationen orientieren“, so die beiden Vorsitzenden.
Für Fachkräfte aus dem Ausland, die international umworben werden, sei Deutschland momentan nicht interessant genug. Die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes seien bürokratisch, intransparent und abschreckend. Die Konsensgruppe empfiehlt in ihrem Abschlussbericht eine bessere Anerkennung ausländischer Qualifikationen, bessere Chancen für den Einstieg ins Berufsleben einschließlich erleichterter Niederlassungserlaubnis für ausländische Hochschulabsolventen, damit sie nach dem Studium dauerhaft in Deutschland bleiben, außerdem schnellere und vereinfachte Genehmigungsverfahren und den Abbau bürokratischer Hürden. Grundsätzlich hält es die Konsensgruppe für erforderlich, das deutsche Zuwanderungsrecht, das traditionell einen Arbeitsvertrag für eine Aufenthaltsgenehmigung voraussetzt, umzubauen und um transparente, unterschiedlich gewichtete Kriterien zu erweitern, nach denen Aufenthaltserlaubnisse erteilt werden sollen.
„Wenn wir über Zuwanderung reden, dann dürfen wir die Debatten nicht länger auf Instrumente und gesetzestechnische Details verkürzen. Noch wichtiger ist ein grundsätzliches Umdenken. Wir müssen wegkommen vom Anwerbestopp und seinen Ausnahmen und klar sagen, dass die Zuwanderung von Fachkräften nach Deutschland von uns gewünscht und gefördert wird. Wir brauchen Zuwanderung und daher einen Paradigmenwechsel in der Zuwanderungskultur“, sagte Armin Laschet.
Weitere Informationen unter: www.konsensgruppe.de