Das Wachstum der Solarenergie ist bisher von den Modellergebnissen des Weltklimarats IPCC erheblich unterschätzt worden. Die Kosten sind zuletzt deutlich schneller gesunken und der Ausbau wesentlich schneller vorangeschritten als selbst die optimistischsten Modelle angenommen haben. Eine neue Studie unter Leitung des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) zeigt nun, dass 2050 der Anteil von Photovoltaikanlagen an der globalen Stromversorgung mehr als dreimal so groß sein könnte wie vorher angenommen. Laut der jetzt im Fachmagazin Nature Energy veröffentlichten Studie dürfte der Anteil der Solarenergie statt bei 5 bis 17 Prozent eher bei 30 bis 50 Prozent liegen – und zwar selbst dann, wenn der globale Strombedarf weiter zunimmt.
Die neuen Ergebnisse sind wichtig für den nächsten Sachstandsbericht des IPCC – für die politischen Entscheider ergeben sich dadurch neue Herausforderungen und zugleich beachtliche Möglichkeiten. Einerseits müssen sie für stabilere Netze und größere Speicherkapazitäten sorgen. Andererseits werden sie mit Blick auf das Ziel, die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen, unabhängiger von anderen risikoreichen Technologien wie der Atomenergie. „Um die Möglichkeiten der Solaranergie voll auszuschöpfen, sollten die Industrieländer – vor allem die G20 – jetzt die Regularien für die Elektrizitätsmärkte modernisieren und Technologien für neue Speichermethoden fördern“, sagt Leitautor Felix Creutzig, MCC-Gruppenleiter für „Landnutzung, Infrastruktur und Transport“.
Die Forscher, zu denen auch Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme ISE, des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der University of Wisconsin gehören, haben für ihre Studie erneut das PIK-Computermodell REMIND genutzt. Diesmal haben sie jedoch die Kosten für Netzausbau, Speicher und andere Integrationsoptionen detaillierter berücksichtigt und das Modell mit neuen Daten etwa über den bereits vorhandenen Photovoltaikausbau und die technologische Lernkurve gefüttert. Zurzeit sinkt der Preis von Solarmodulen jedes Mal um mehr als 20 Prozent, sobald sich die produzierte Gesamtmenge verdoppelt hat. Je länger diese Entwicklung anhält, desto günstiger wird eine aus Sonnenenergie produzierte Kilowattstunde Strom.
„In unseren Laboren und den Entwicklungsabteilungen der Unternehmen gibt es zahlreiche vielversprechende Ideen. Damit wird es uns noch lange möglich sein, die Kosten weiter zu senken“, sagt Jan Christoph Goldschmidt, Leiter des Teams „Neuartige Solarzellenkonzepte“ am Fraunhofer ISE. „Unsere Studie zeigt: Mit realistischen Annahmen wird die Photovoltaik weltweit die wichtigste Stromquelle werden – zumindest wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen und auf die günstigen Technologien setzen.“
Dies gilt auch mit Blick etwa auf die Vereinigten Staaten. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie irrational sich beispielsweise US-Präsident Donald Trump mit seinem Kampf für die klimaschädliche Kohle gegen den Wandel der Wirtschaft stellt“, sagt Creutzig, der auch Professor an der TU Berlin ist. „Schon sehr bald wird es ihm auch aus den Unternehmen entgegenschallen: solar power first.“ Die USA sind aufgrund ihrer geographischen Voraussetzungen besonders für den Einsatz von Photovoltaikanlagen geeignet. Durch die Gemeinsam gegründet von: weitverbreitete Nutzung von Klimaanlagen haben die USA eine starke Stromnachfrage an Sommernachmittagen, was hervorragend zum Angebot an Solarenergie passt.
In Indien, Chile und vielen anderen Teilen der Welt unterbietet die Photovoltaik schon jetzt die Kosten für die Energiegewinnung aus Kohle. Allerdings ist die Bereitstellung von Solarenergie für viele Entwicklungsländer weiterhin nicht selbstverständlich. Der Einsatz klimafreundlicher Stromerzeugung wird vor allem durch den hohen Anteil der Kapitalkosten an den Gesamtkosten stark behindert: Höhere Investitionsrisiken – beispielsweise durch politische Unsicherheiten – spiegeln sich in höheren Zinsen und damit höheren Kosten für Investoren wider. Neue Finanzierungsmodelle und Bürgschaften könnten die Solarenergie gerade auch in afrikanischen Ländern voranbringen.
„Die Solarenergie hat ein gigantisches Ressourcenpotential, ist umweltfreundlich, und in vielen Teilen der Welt sogar die kostengünstigste Technologie, um Strom zu erzeugen. Unsere Studie zeigt, dass Photovoltaik sich von einer Nischentechnologie zum Hauptpfeiler einer klimafreundlichen und günstigen Stromversorgung entwickeln kann“, sagt Ko-Autor Robert Pietzcker vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Doch solange wichtige Akteure wie die Internationale Energieagentur den Beitrag von Solarenergie zum Klimaschutz massiv unterschätzen, besteht die Gefahr von Fehlinvestitionen und verpassten Geschäftschancen. Um in 15 Jahren ein stabiles Stromsystem mit 20 bis 30 Prozent Photovoltaikstrom zu ermöglichen, müssen jetzt die Weichen richtig gestellt werden.“
Weitere Informationen:
Creutzig, F.; Agoston, P.; Goldschmidt, J.; Luderer, G.; Nemet, G.; Pietzcker, C. (2017): The underestimated potential of solar energy to mitigate climate change. Nature Energy, DOI: 10.1038/nenergy.2017.140
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