Pressemitteilung
Berlin, 15.04.2016

„Bis 2030 könnte man in den meisten Ländern weltweit eine flächendeckende Versorgung mit Trinkwasser finanzieren“, sagt Dr. Michael Jakob, Leitautor der Studie vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. Allein in Indien würde eine CO₂-Steuer rund 115 Milliarden US-Dollar im Jahr einbringen „und nur einen Bruchteil davon bräuchte man für sauberes Wasser – zusätzlich bliebe genug Geld für sanitäre Anlagen und Strom“, so der Wissenschaftler. Tatsächlich würde die benötigte Infrastruktur im zweitgrößten Land der Welt jeweils nur etwa vier Prozent der Einnahmen kosten.
Nicht reichen würden die Mittel in wenigen Nationen, vor allem in Afrika südlich der Sahara (siehe Abbildung). Hier sind die CO₂-Emissionen sehr niedrig und eine Steuer brächte wenig ein. „Doch diese finanzielle Lücke könnte geschlossen werden, wenn man berücksichtigt, dass Entwicklungsländer ihr Nutzungsrecht an der Atmosphäre noch nicht ausgeschöpft haben“, erklärt Jakob. „Vermeidung von Emissionen würde dann zu Ausgleichszahlungen von Seiten der Industriestaaten führen.“
Die MCC-Studie, die neben Wasser, Sanitäranlagen und Strom auch die Entwicklungsmöglichkeiten bei Telekommunikation und Straßen untersucht, wurde heute unter dem Titel „Carbon pricing revenues could close infrastructure gaps“ in der Zeitschrift World Development veröffentlicht. Für ihre Berechnungen gehen die Forscher davon aus, dass weltweit jedes Land ab sofort eine wachsende CO₂-Steuer einführt. Im Jahr 2020 müsste sie 40 US-Dollar pro Tonne CO₂ betragen und bis 2030 auf 175 Dollar ansteigen.
„Neben den Einnahmen für Infrastruktur würde man so zum internationalen Ziel beitragen, die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu begrenzen“, erklärt Dr. Sabine Fuss, MCC-Mitautorin der Studie und Gastwissenschaftlerin am International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg, Österreich. „Denn die Steuer bestraft die Nutzung fossiler Energien und schafft Anreize für CO₂-freie Technologien.“ Mit Geld, das nicht für die Versorgung gebraucht wird, könnten Folgen des Klimawandels abgefedert werden. Davon seien gerade Entwicklungsländer betroffen, etwa durch den steigenden Meeresspiegel.
Doch die steigenden Kosten für Kohle, Öl und Gas führen auch zu Problemen: „Mehr zahlen möchte niemand gerne – aber gerade hier liegt die Stärke der Idee, direkt aus den CO₂-Einnahmen lebenswichtige Infrastrukturen zu finanzieren“, sagt MCC-Kollege Jakob. Die Zweckbindung erhöhe die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Gefahr von Unterschlagungen sinke. Ergänzend könnte man mit den Einnahmen Belastungen verringern, die gerade ärmere Bevölkerungsteile treffen – etwa die Mehrwertsteuer. „Klar ist: Wirklichen Klimaschutz gibt es nur, wenn er Teil einer nachhaltigen Gesamtentwicklung wird – und umgekehrt“, betont Jakob.  „Mehr Geld alleine reicht nicht. Entscheidend sind auch ein funktionierender Staat, demokratische Entscheidungsprozesse und entsprechende Institutionen.“
Link zur zitierten Studie:
Jakob, M.; Chen, C.; Fuss, S.; Marxen, A.; Rao, N.; Edenhofer, O. (2016): Carbon pricing revenues could close infrastructure gaps. World Development, http://dx.doi.org/10.1016/j.worlddev.2016.03.001
Über das MCC:
Das MCC erforscht nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie globalen Umweltsystemen und sozialen Infrastrukturen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Sieben Arbeitsgruppen forschen zu den Themen Wirtschaftswachstum und -entwicklung, Ressourcen und Internationaler Handel, Städte und Infrastrukturen, Governance sowie wissenschaftliche Politikberatung. Das MCC ist eine gemeinsame Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
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