Pressemitteilung
Berlin, 30.05.2017

International hohe Wellen geschlagen hat Angela Merkel mit ihrer Forderung nach einem eigenständigen Europa, die sie Sonntagnachmittag bei einer Wahlkampfrede vorbrachte. Die Aussage der Bundeskanzlerin ist nicht neu. Sie reiht sich ein in eine europapolitische Wende Deutschlands, die bereits 2016 mit dem Brexit-Votum und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten eingesetzt hat. Eine aktuelle Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR) beschreibt die veränderte Stimmungslage der Deutschen gegenüber Europa. Trotz aller Unkenrufe über den Zustand der EU: Deutschland hält nicht nur an seinem Bekenntnis zur EU fest, sondern will wieder ehrgeizigere Ziele verfolgen.
Die aktuelle und künftige deutsche Bundesregierung steht vor einem Trilemma: Wie kann sie die deutsche Öffentlichkeit zufrieden stellen, die EU nach fast einem Jahrzehnt der Krisen wieder stärken und ein deutschen Interessen entsprechendes internationales Umfeld aufrechterhalten – und das alles am besten gleichzeitig? Deutsche Politiker sind zunehmend bereit, für ein starkes Europa mit flexibleren Formen der europäischen Zusammenarbeit einzustehen und politisch riskante Themen wie die Reform der Währungsunion anzuschneiden, argumentiert Almut Möller, Leiterin des Berliner ECFR-Büros, in der Analyse „Germany votes: European Dilemmas in the federal election“.
Die bisher im Bundestag vertretenen Parteien verpflichten sich – wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten – weiterhin für ein starkes deutsches Engagement in der EU, um Deutschlands Interessen auch international wirksam zu verstärken. Euroskeptische Strömungen innerhalb der deutsche Gesellschaft, auf die nicht zuletzt die Partei Alternative für Deutschland (AfD) setzt, können dieser positiven Grundhaltung kaum gefährlich werden.
Mit Blick auf die öffentliche Meinung führt die Studie verschiedene Umfragen an, die auf einen stabilen Rückhalt innerhalb der deutschen Bevölkerung für stärkere europäische Zusammenarbeit und selbst eine tiefere EU-Integration hinweisen. Hinter Europa-kritischen Aussagen stecken häufig pro-europäische Stimmen, die lediglich einen anderen Integrationsweg für die EU befürworten.
Drei Fallstudien in der Analyse beschäftigen sich mit drängenden außenpolitischen Fragen, die auch im Wahlkampf eine Rolle spielen werden: Die internationale Kritik am deutschen Handelsüberschuss sowie US-Präsident Trumps Angriff auf den Freihandel, sowie die schwierigen Beziehungen zur Türkei und zu Russland. Bei diesen Themen müssen deutsche Politiker eine tragfähige Balance finden, wie sie deutsche und europäische Interessen verteidigen und gleichzeitig den Dialog zu den schwierigen Partnern am Leben halten.
Almut Möller erklärt: „Nach dem Brexit und der Trump-Wahl legen deutsche Politiker eine neue selbstbewusste Haltung an den Tag. Sie packen den Stier bei den Hörnern und plädieren für neue Koalitionen in der EU.“ Die Leiterin des Berliner ECFR-Büros warnt zugleich: „Bei bestimmten Themen muss sich die deutsche Regierung kompromissfähiger zeigen, insbesondere beim Plan des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron für die Reform der Eurozone. Hierbei gilt, auch in der deutschen Öffentlichkeit stärkeren Rückhalt für alternative Konzepte zu schaffen.“
Die komplette Studie „Germany votes: European Dilemmas in the federal election “ finden Sie hier.
Die Autoren
Almut Möller ist Leiterin des Berliner Büros & Senior Policy Fellow des ECFR
Asli Aydıntaşbaş ist Türkei-Expertin und Senior Policy Fellow des ECFR
Sebastian Dullien ist Senior Policy Fellow im Programm European Power des ECFR
Kadri Liik ist Senior Policy Fellow im Programm Wider Europe des ECFR
Der European Council on Foreign Relations (ECFR) ist ein pan-europäischer Think Tank, der europäische Sichtweisen in nationale politische Diskurse einbringt, Perspektiven für eine gemeinsame europäische Außenpolitik aufzeigt und sich für die Weiterentwicklung des europäischen Integrationsprozesses engagiert. Der ECFR ist eine unabhängige gemeinnützige Organisation, die sich aus verschiedenen Quellen finanziert. Mehr Informationen finden Sie hier.

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Lothar Kuhn
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