Pressemitteilung
Berlin, 28.06.2016

Dabei ist für die große Mehrheit der Menschen mit Einwanderungsgeschichten das Beherrschen der deutschen Sprache das entscheidende Kriterium, nicht der Geburtsort oder deutsche Vorfahren. Das ist die Quintessenz von zwei Studien, die auf der Konferenz der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoğuz, „Wer sind WIR – und wenn ja, wie viele? Das neue deutsche WIR im Spiegel gesellschaftlicher Diskurse“ am Dienstag (28.06.2016) im Kanzleramt vorgestellt wurden.
Staatsministerin Özoğuz begrüßte die Ergebnisse. „Sie tragen dazu bei, die oft emotional geführte Debatte um das Deutschsein und Deutsch-Fühlen sachlicher und unaufgeregter zu führen. Sie heben die offensichtlich erreichten Erfolge der vergangenen Jahre deutlich hervor.“ Die Beauftragte nannte es bemerkenswert, dass Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichten ähnliche Vorstellungen vom Deutschsein haben. Die Ergebnisse zeigten, „dass sich Menschen mit Migrationshintergrund in hohem Maße als Deutsche und diesem Land zugehörig fühlen“. Deutschsein werde heute nicht mehr über Abstammung definiert, sondern sehr viel stärker durch Merkmale wie die deutsche Sprache, die deutsche Staatsangehörigkeit oder auch über Teilhabe, etwa durch einen Arbeitsplatz, betonte die Integrationsbeauftragte. „Umso bitterer ist es für die Betroffenen, wenn ihnen das Deutschsein aufgrund ihres Namens oder Aussehens trotzdem immer wieder abgesprochen wird.“
Abkehr vom völkischen Verständnis
Als erfreulich bezeichnete die Staatsministerin, dass die Ergebnisse die Abkehr von einem völkischen Verständnis des Deutschseins belegen – bei Migranten, aber auch bei Deutschen ohne Migrationshintergrund. Es gebe eine „gefühlte Einheit“ der Bevölkerung mit Deutschland. „Trotz aller bestehenden kulturellen oder religiösen Unterschiede gibt es eine gemeinsame gelebte deutsche Identität. Auf dieser Grundlage können und müssen wir weiter an diesem neuen deutschen WIR arbeiten und sicherstellen, dass sich keine Gruppe ausgeschlossen fühlt. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass viele Menschen seit Jahrzehnten Teil dieser Gesellschaft sind, politisch und rechtlich aber nicht dazugehören“, erklärte Aydan Özoğuz.
Dazu braucht es nach Angaben der Integrationsbeauftragten:

  • Ein Integrationsverständnis, das sich nicht nur an neu Hinzukommende richtet, sondern auch an Einheimische. Integration und Teilhabe richten sich nicht allein an 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, sondern an 81 Millionen Menschen in unserem Land.
  • Eine neue Diskussion über das kommunale Wahlrecht und die politische Partizipation und Teilhabe.
  • Um Ausgrenzungen zu vermeiden, müssen wir das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und den Diskriminierungsschutz ausbauen. Hier hat Deutschland noch einiges aufzuholen.

Prof. Dr. Naika Foroutan, stellvertretende Direktorin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM), forderte ein neues politisches Leitbild: „Unsere Daten weisen nach, dass die emotionale Verbundenheit zu Deutschland bei Personen mit Migrationshintergrund jenen der herkunftsdeutschen Bevölkerung sehr ähnlich ist. Dennoch findet derzeit im öffentlichen Raum eine politische Debatte um Zugehörigkeiten von Personen statt, die nicht als deutsch wahrgenommen werden, weil sie einen anderen Phänotyp haben, andere Namen oder Vorfahren, die irgendwann einmal in dieses Land eingewandert sind. Es ist an der Zeit, ein politisches Leitbild zu entwickeln, das plurale Zugehörigkeiten als ei-nen Marker dieses Einwanderungslandes beschreibt. Deutschsein ist heute kulturell, ethnisch, religiös und national vielfältiger geworden".
Auch Dr. Cornelia Schu, Geschäftsführerin des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) betonte das Zugehörigkeitsgefühl einer großen Mehrheit von Menschen mit Einwanderungsgeschichten. „Das SVR-Integrationsbarometer gibt Anlass für eine optimistische Sicht auf Zugehörigkeit in der Einwanderungsgesellschaft: Eine überwältigende Mehrheit der Zugewanderten fühlt sich zur Gesellschaft in Deutschland zugehörig. Positiv ist auch, dass die Kriterien für Zugehörigkeit bei Mehrheitsgesellschaft und Zuwanderern gleichermaßen durchlässiger werden: ein fester Arbeitsplatz oder die deutsche Staatsangehörigkeit werden als wichtiger eingestuft als exklusive Kriterien wie in Deutschland geboren zu sein. Aber es gibt auch Eintrübungen: Türkeistämmige und Muslime vor allem der 1. Generation ziehen eine skeptischere Bilanz ihrer Zugehörigkeit; sie fühlen sich auch häufiger aus der Gesellschaft ausgegrenzt als andere Herkunftsgruppen.“
Die Ergebnisse der BIM-Studie ‚Deutschland postmigrantisch III. Migrantische Perspektiven auf deutsche Identitäten – Einstellungen von Personen mit und ohne Migrationshintergrund zu nationaler Identität in Deutschland‘ sowie die Ergebnisse der Sonderauswertung des SVR finden Sie unter diesem Link: Das neue deutsche WIR

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