Pressemitteilung
Düsseldorf/Berlin, 04.12.2013

Menschen mit Migrationshintergrund verlieren auf dem Weg durch das deutsche Bildungssystem oft wertvolle Lebensjahre. Über den gesamten Bildungsverlauf von der Grundschule bis zum Studium werden die Potenziale von Kindern mit Migrationshintergrund systematisch unterschätzt. Oft dauert es lange, bis ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten erkannt werden und die richtigen Weichenstellungen erfolgen – wenn überhaupt. Das zeigen die ersten Ergebnisse der Studie „Bildung, Milieu, Migration“ der Universität Düsseldorf, die von der Stiftung Mercator und der Vodafone Stiftung gefördert wird und heute in Berlin präsentiert wurde. Die Gründe für den verzögerten Bildungsweg liegen nicht nur in oft mangelhaften Sprachkenntnissen und einer Zurückstufung der Schulklassenzugehörigkeit, wenn die Zuwanderung während der Schullaufbahn erfolgt; sie liegen auch in einer mangelnden Information der Eltern über den vergleichsweise komplizierten Aufbau des deutschen Bildungssystems sowie in weiterhin bestehen Vorurteilen bei Schulen und Behörden. Als Folge durchlaufen Schüler mit Migrationshintergrund viele Umwege, Schleifen, Sackgassen und Neuorientierungsphasen.
„Die Stärken von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund werden im Bildungssystem immer noch zu wenig gefördert. Das zeigt die aktuelle Studie. Um die bestehende Bildungsungleichheit zu verringern, ist es daher zentral – neben der Behebung der sozialen und sprachlichen Nachteile – einen Fokus auf die Förderung der Stärken zu legen“, erklärt Prof. Dr. Bernhard Lorentz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stiftung Mercator, zu den ersten Ergebnissen der Studie. „Die breit angelegte Untersuchung der Einstellungen und Erfahrungen von Eltern aus ganz unterschiedlichen Milieus zeigt, wo diese Stärken liegen, hier müssen wir in Zukunft verstärkt ansetzen.“
Eltern mit Migrationshintergrund brauchen mehr Unterstützung
Die Studie zeigt deutlich, dass Eltern mit Migrationshintergrund oft große Anstrengungen unternehmen, um ihren Kindern eine bessere Bildung zu ermöglichen, sie dabei aber häufig an ihre Grenzen stoßen. Vielen von ihnen fehlt nicht nur das Geld für die heute fast obligatorische Nachhilfe, sondern oft auch das Wissen darüber, wie sie ihren Kindern in der Schule am besten helfen können. Ein großer Teil dieser Eltern wünscht sich hierbei mehr Unterstützung. „Eltern spielen für den Bildungserfolg ihrer Kinder eine entscheidende Rolle und alle Eltern wollen diese bestmöglich ausfüllen“, so der Geschäftsführer der Vodafone Stiftung, Dr. Mark Speich. „Manche Eltern haben aber nun einmal schwierigere Ausgangsbedingungen. Deshalb ist die Förderung dieser Eltern eine der wichtigsten Aufgaben für uns als Gesellschaft wie auch für die neue Bundesregierung.“
Die verinnerlichte Defizitperspektive erschwert den Bildungsweg
Laut der Studie rücken viele Migranten ihre Defizite, wie mangelnde Sprachkenntnisse, in den Vordergrund und sehen ihren Hintergrund nicht als Chance an. Sie haben eine Problemperspektive verinnerlicht und wollen beispielweise selbst ihre Kinder nicht auf Schulen mit einem hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund schicken.
Entscheidend sind die einzelnen Lehrer
Ungeachtet aller Debatten über die Strukturen unseres Bildungssystems zeigen die Berichte der Migranten in der Studie immer wieder: Der Erfolg in der Schule hängt in hohem Maße von den einzelnen Lehrern ab. Dies gilt sowohl im negativen Sinne, wenn Kinder deutliche Anzeichen für Diskriminierung im Unterricht spüren, als auch im  positiven Sinne, wenn Lehrer sich besonders stark für Schüler mit Migrationshintergrund engagieren.
Über die Studie "Bildung, Milieu, Migration"
Die Studie „Bildung, Milieu, Migration" greift erstmals das Gesellschaftsmodell der sozialen Migranten-Milieus des Heidelberger Sinus-Instituts für den Bildungsbereich auf. Damit wird es möglich, die sehr unterschiedlich geprägten Lebenswelten etwa der „Religiös Verwurzelten“ oder der „Kosmopolitisch Intellektuellen“ differenzierter in den Blick zu nehmen und die jeweils typischen Bildungserfahrungen und -einstellungen herauszuarbeiten. Auch wird die große Gruppe der „Adaptiv Bürgerlichen“ in ihrem Bestreben sichtbar, zur Mitte der deutschen Gesellschaft dazu zu gehören und den Kindern den bestmöglichen Start in ein privat und beruflich gut integriertes Leben zu ermöglichen. Die Studie wird von der Stiftung Mercator und der Vodafone Stiftung gefördert. Für den nun vorliegenden Zwischenbericht wurden 120 problemzentrierte Tiefeninterviews mit Eltern von Schülern mit Migrationshintergrund ausgewertet. Im Zentrum des Forschungsinteresses stehen die jeweiligen Bildungserfahrungen der Interviewpartner sowie die mit den Bildungskarrieren der Kinder verbundenen Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen. Im kommenden Jahr wird die Studie mit einer Repräsentativerhebung fortgesetzt, in der die quantitative Bedeutung der ermittelten Erfahrungen und Einstellungsmuster festgestellt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.stiftung-mercator.de/milieu„>www.vodafone-stiftung.de/presse/veranstaltungen
Ausgewählte Videointerviews mit den Studienteilnehmern finden Sie unter: www.youtube.com/StiftungMercator„>www.youtube.com/vodafonestiftung
Hintergrundinformationen finden Sie unter http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/sozwiss/bildungsforschung-und-bildungsmanagement/projekte/bildung-migration-milieu/
Die Vodafone Stiftung Deutschland
Die Vodafone Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland. Unter dem Leitmotiv „Erkennen. Fördern. Bewegen.“ unterstützt die Stiftung als gesellschaftspolitischer Thinktank insbesondere Programme in den Bereichen Bildung, Integration und soziale Mobilität mit dem Ziel, Impulse für den gesellschaftlichen Fortschritt zu geben, die Entwicklungen einer aktiven Bürgergesellschaft zu fördern und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es der Vodafone Stiftung Deutschland vor allem darum, benachteiligten Kindern und Jugendlichen den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.

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Lothar Kuhn
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