Pressemitteilung
Berlin, 11.07.2014

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 10. Juli 2014 entschieden, dass die deutschen Sprachtests für türkische Staatsangehörige, die zu ihren Ehepartnern in Deutschland nachziehen möchten, in ihrer jetzigen Form gegen Europarecht verstoßen. Maßstab der Entscheidung ist ein im Jahr 1973 in Kraft getretenes Zusatzprotokoll zum Assoziationsabkommen, das die EuropäischeUnion 1961 mit der Türkei geschlossen hat. Darin ist u.a. festgelegt, dass neue Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit verboten sind. In den Augen des EuGH stellt die Einführung der Sprachtests für türkische Ehepartner eine solche neue Beschränkung dar.
Der EuGH hat allerdings nicht geurteilt, dass der obligatorische Deutschtest für nachziehende Ehepartner generell verboten ist. Dem Gesetzgeber ist es weiterhin erlaubt, etwa zum Zweck der Integrationsförderung Sprachkenntnisse vor der Einreise zu verlangen. Der Gerichtshof stößt sich lediglich daran, dass der deutsche Gesetzgeber hier eine zu pauschale Regelung getroffen hat. Nach dem Urteil des Gerichtshofs muss es vielmehr möglich sein, auf die Umstände des Einzelfalls, d.h. auf die konkrete Lebenssituation des nachzugswilligen Ehegatten Rücksicht zu nehmen. „Diese Klarstellung ist zu begrüßen“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Prof. Dr. Christine Langenfeld. „Das Urteil bedeutet auch keineswegs, dass die nationale Politik – wie in vielen Medien berichtet –, integrationspolitisch zum Nichtstun verdammt ist, vielmehr ist der Gesetzgeber aufgefordert, einen Interessenausgleich zwischen dem individuellen Interesse auf Familienzusammenführung und dem gesellschaftlichen Interesse der Integrationsförderung herzustellen.“ Dies entspricht der Forderung des Sachverständigenrats in seinem diesjährigen Jahresgutachten. Der SVR hat darin bereits die Einführung einer allgemeinen Härtefallklausel für den Nachzug sowohl zu deutschen Staatsangehörigen als auch zu im Inland lebenden Drittstaatsangehörigen vorgeschlagen. Damit würde eine klare rechtliche Grundlage dafür geschaffen, bei unverhältnismäßigen Belastungen auf einen Sprachnachweis vor der Einreise zu verzichten und damit den Ehegattennachzug zu ermöglichen. Eine solche Härteklausel darf allerdings nicht auf türkische Staatsangehörige beschränkt werden, sondern muss allgemein gelten.
„Der Ball liegt nun im Feld des Gesetzgebers und damit der Politik. Sie muss jetzt rasch entscheiden, wie sie das berechtigte Interesse des Staates an sprachlicher Integration umsetzt und zugleich im Einzelfall unzumutbare Härten vermeidet“, sagte Langenfeld. Rückenwind erhält die Politik auch durch die Ergebnisse einer Reihe von Studien, die gezeigt haben, dass der Sprachtest von einer Mehrzahl der Betroffenen trotz der damit verbundenen Belastungen als sinnvoll erachtet wird. „Der Gesetzgeber sollte nun rasch tätig werden.“
Über den Sachverständigenrat
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören acht Stiftungen an. Neben der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung sind dies: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Gemeinnützige Hertie-Stiftung, Körber-Stiftung, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und Vodafone Stiftung Deutschland. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und gemeinnütziges Beobachtungs-, Bewertungs- und Beratungsgremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet. Die Ergebnisse seiner Arbeit werden in einem Jahresgutachten veröffentlicht.
Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Christine Langenfeld (Vorsitzende), Prof. Dr. Ludger Pries (Stellvertretender Vorsitzender) sowie Prof. Dr. Gianni D’Amato, Prof. Dr. Thomas K. Bauer, Prof. Dr. Wilfried Bos, Prof. Dr. Heinz Faßmann, Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu, Prof. Dr. Ursula Neumann und Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan.
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