Pressemitteilung
Berlin, 18.12.2018

Deutschland wird auch zukünftig auf Fachkräftezuwanderung angewiesen sein. Der Referentenentwurf für das geplante Fachkräfteeinwanderungs-gesetz setzt die in den vergangenen 10 bis 15 Jahren erfolgten rechtlichen Liberalisierungen fort; er entwickelt das bestehende System also eher weiter als dass er ein neues entwirft. Dass hierbei beruflich Qualifizierte im Fokus stehen, ist aus Sicht des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) sehr zu begrüßen, der eine Stellungnahme zum Referentenentwurf veröffentlicht hat. Nachjustierungsbedarf sieht er im Detail.
Nach bisherigen Informationen plant das Kabinett, am morgigen Mittwoch, den 19. Dezember, über den vorliegenden Referentenentwurf für ein Fachkräfte-einwanderungsgesetz zu beraten. Deutschland braucht Zuwanderung in den Arbeitsmarkt aufgrund des demografischen Wandels und steigender Fachkräftebedarfe. Bisher hat Deutschland von der Binnenmobilität in der EU profitiert – und insofern eine „Freizügigkeitsdividende“ eingefahren. Diese wird absehbar eher abnehmen, da sich die wirtschaftliche Entwicklung in anderen EU-Staaten verbessert und diese Länder vor ähnlichen demografischen Herausforderungen stehen. Neben der notwendigen Aktivierung des inländischen Arbeitskräftepotenzials muss daher die gezielte Anwerbung ausländischer Fachkräfte aus Drittstaaten verstärkt werden. Hierbei steht Deutschland im Wettbewerb mit anderen Ländern. Im Mittelpunkt des geplanten Entwurfs stehen vor allem erleichterte Zuwanderungsoptionen für beruflich Qualifizierte, die Möglichkeiten der Zuwanderung zum Zweck der Erwerbstätigkeit für Hochqualifizierte sind nach Auffassung des SVR im Vergleich zu anderen OECD-Ländern als liberal einzuschätzen.
Der SVR-Vorsitzende Prof. Dr. Thomas Bauer würdigt die Stoßrichtung des Entwurfs: „In seinem Jahresgutachten 2018 hat der SVR die bestehenden Möglichkeiten der Fachkräftezuwanderung ausführlich analysiert und beurteilt. Nachsteuerungsbedarf sehen wir insbesondere bei der Gruppe der beruflich qualifizierten Fachkräfte. Sie stehen erfreulicherweise nun auch im Fokus dessen, was die Bundesregierung mit ihrem Fachkräfteeinwanderungsgesetz plant.“ Und zwar sowohl im Bereich der nachfrageorientierten Erwerbsmigration, die einen Arbeitsvertrag voraussetzt, als auch bei der angebotsorientierten Erwerbsmigration, die es Personen mit einem bestimmten Qualifikationsprofil erlaubt, zur Arbeitsplatzsuche einzureisen. Bisher können beruflich Qualifizierte nur dann einreisen, wenn sie erstens einen Arbeitsvertrag haben, zweitens in einem Mangel- oder Engpassberuf tätig sind und drittens den sog. Gleichwertigkeitsnachweis erbringen können, d. h. den Nachweis, dass ihre im Herkunftsland erworbene Qualifikation dem deutschen Äquivalent gleichwertig ist. Nach dem Referentenentwurf ist geplant, dass die Beschränkung auf Mangelberufe künftig entfällt. Der SVR-Vorsitzende hebt hervor: „Diese Angleichung zwischen akademisch und beruflich Qualifizierten ist zu befürworten. Da ein Arbeitsvertrag die Voraussetzung bleibt, ist gewährleistet, dass sich die Zuwanderung flexibel an die Arbeitsmarktlage anpasst.“
Auch mit Blick auf die potenzialorientierte Zuwanderung tut sich etwas für beruflich Qualifizierte: Bislang dürfen nur Personen mit einem akademischen Abschluss für ein halbes Jahr nach Deutschland kommen, um einen Arbeitsplatz zu suchen. „Künftig soll diese Möglichkeit auch nichtakademischen Fachkräften eröffnet werden, wie es u. a. der SVR in seinem Jahresgutachten 2018 gefordert hat. Das ist sehr zu begrüßen. Das generelle Arbeitsverbot während der Suchphase wird nur geringfügig aufgeweicht. Es ist daher nicht zu erwarten, dass diese neue Suchoption von sehr vielen ausländischen Fachkräften in Anspruch genommen wird“, kommentiert Prof. Bauer.
Die Unterstützung des SVR findet auch das Vorhaben, die Möglichkeiten der heimischen Ausbildung ausländischer Fachkräfte zu stärken: Künftig wird es nicht nur (wie bisher) Studieninteressierten möglich sein, zur Suche nach einem Studienplatz einzureisen, auch Ausbildungsinteressierte dürften zur Suche nach einem Ausbildungsplatz nach Deutschland kommen. Prof. Bauer: „Diese Option ist zu begrüßen. Der Gesetzgeber sollte die praktische Wirkung dieser neuen Möglichkeit jedoch aufmerksam verfolgen: Es wird zu prüfen sein, ob einerseits die vorgesehenen Voraussetzungen nicht zu hoch sind und andererseits die Regelung missbrauchsanfällig ist.“
Die größte Hürde für beruflich Qualifizierte ist der Gleichwertigkeitsnachweis der Berufsqualifikation, da es in kaum einem Land der Welt ein System gibt, das mit dem der deutschen dualen Ausbildung vergleichbar ist. Der SVR hatte hierzu das sog. „Nimm 2+“-Modell vorgeschlagen, das es ermöglichen würde, den Gleichwertigkeitsnachweis durch ein anderes Kriterium (z. B. sehr gute Sprachkenntnisse) zu ersetzen. An dem Prinzip der Gleichwertigkeit hält der Entwurf im Grundsatz fest; als ersten Schritt zur Flexibilisierung kann man die Regelung begreifen, dass künftig Fachkräfte mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen v. a. in Berufen der Informations- und Kommunikationstechnologie, aber auch in weiteren von der BA ausgewählten Berufen, unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Gleichwertigkeitsnachweis hier arbeiten können sollen. „Diese erste Flexibilisierung stellt eine Art ‚Nimm 2+ light‘ dar. Wenn die Erfahrungen mit der Regelung positiv sind, sollte die Bundesregierung eine Ausweitung erwägen“, so der SVR-Vorsitzende.
Zu den geplanten Regelungen zum Thema ‚Spurwechsel‘ äußert sich der SVR in seinem Positionspapier ebenfalls. Er begrüßt im Grundsatz, dass die Kriterien für die Gewährung einer Ausbildungsduldung präzisiert werden und für gut integrierte und sozialversicherungspflichtig beschäftigte Flüchtlinge Kriterien für Bleiberechtsregelungen formuliert werden. Hier besteht allerdings im Detail aus Sicht des SVR Nachjustierungsbedarf. Prof. Bauer hebt hervor, dass gesetzliche Möglichkeiten allein nicht ausreichen, um qualifizierte Fachkräfte anzuziehen. „Es bedarf eines guten Marketings, einer ergänzenden gezielten Anwerbestrategie, die bspw. regional verankert ist und passgenaue Rekrutierungsaktivitäten von (Landes)Politik, Arbeitsverwaltung und Unternehmen in geeigneten Zielländern vorsieht. Auch der Export der dualen Ausbildung mag für weitere Branchen und mit geeigneten Zielländern eine gute Option sein. Der Pflegebereich hat hier erste Modellprojekte erprobt. Im Ausland sind die Möglichkeiten des Spracherwerbs zu verbessern; im Inland die der Anerkennung und Nachqualifizierung. Hier müssen wir unbürokratischer, effizienter und einladender werden.“ Dass angesichts der medialen und auch politischen Debatten der vergangenen Jahre überhaupt ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz kommt, müsse jenseits der arbeitsmarktbezogenen Bedarfe auch als politisches Signal gewürdigt werden. „Deutschland ist ein Einwanderungsland, schon lange, und bekommt nun auch ein Gesetz, das zumindest in Teilen so heißt“, so der SVR-Vorsitzende.
Die Stellungnahme finden Sie hier.
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