Pressemitteilung
Berlin, 23.05.2014

Südeuropäische Krisenstaaten könnten durch eine Reform des europäischen Zertifikatehandels (EU ETS) mehrere Milliarden Euro pro Jahr mehr einnehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Das geht aus einer Analyse des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) hervor. Demnach könnte etwa der griechische Staatshaushalt statt mit 150 Millionen Euro mit rund 2,7 Milliarden Euro Einnahmen rechnen – und somit die Neuverschuldung drücken. Im Fall von Spanien wären es 6,2 Milliarden und bei Italien 6,9 Milliarden. Mit Blick auf die gesamte EU würden die Einnahmen von derzeit 3,55 Milliarden auf etwa 64 Milliarden Euro steigen.

„Gerade in Südeuropa sind mehrere Staaten so hoch verschuldet, dass es für ihre Finanzminister sicher lohnend wäre, stärker CO2 zu bepreisen, anstatt wie bislang oft den Faktor Arbeit oder das Kapital“, sagt MCC-Direktor Ottmar Edenhofer, der auch Chef-Ökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ist. „In der Folge könnte dies auch zu mehr internationaler Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder führen. Das gilt vor allem für Staaten, die zum Beispiel wegen einer großen Schattenwirtschaft Probleme haben, ihre nominellen Steuern auf Arbeit und Kapital auch tatsächlich zu erheben.“

Voraussetzung für die Mehreinnahmen wären drei wesentliche Reformschritte beim EU ETS: erstens ein Zertifikatsmindestpreis von 20 Euro pro Tonne, zweitens eine sektorale Erweiterung auf den Transport- und Gebäudesektor sowie drittens eine Beschränkung der freien Zertifikatezuteilung nur noch auf ein für die Wettbewerbsfähigkeit betroffener Industrien erforderliches Mindestmaß. Für letzteres wurde angenommen, dass ca 80 Prozent statt wie bislang 40 Prozent der Zertifkate versteigert werden würden.

Die Berechnungen des MCC stehen auch vor dem Hintergrund der Debatte über die europäische Klimapolitik: Die EU will, dass bis 2030 der CO2-Ausstoß 40 Prozent weniger als 1990 beträgt. Doch weil der Preis für CO2-Rechte im Keller ist, verdrängt die Kohle zunehmend Gaskraftwerke aus dem Markt. Die deutsche Stromproduktion aus Braunkohle etwa ist 2013 auf den Höchststand seit 1990 gestiegen.

Mit Blick auf den globalen Kontext setzt der Ansatz des MCC darauf, dass einzelne Staatengruppen wie die EU als Vorreiter selbstständig aktiv werden. „Mit den zusätzlichen Einnahmen könnten die Staatsverschuldung abgebaut und Investitionen in das Gesundheitssystem, Straßenbau, Altersversorge, Arbeitslosenversicherung oder Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst finanziert werden“, sagt Christian Flachsland, Leiter der Arbeitsgruppe Assessments und wissenschaftliche Politikberatung am MCC. „Klimaschutz von unten könnte langfristig schneller und wirksamer sein als das beständige Warten auf den Start eines globalen Klimaregimes.“

Laut MCC ist es zudem theoretisch möglich, dass eine CO2-Bepreisung die internationale Negativspirale bei der Kapitalbesteuerung durchbrechen könnte. Dies würde den Unternehmen für solche Länder Standortvorteile verschaffen. Voraussetzung dafür wäre indes unter anderem, dass die neuen Einnahmen auch tatsächlich in wirtschaftsfördernde Infrastrukturen fließen würden.

Das MCC erforscht nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie globalen Umweltsystemen und sozialen Infrastrukturen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Fünf Arbeitsgruppen forschen zu den Themen Wirtschaftswachstum und -entwicklung, Ressourcen und Internationaler Handel, Städte und Infrastrukturen, Governance sowie wissenschaftliche Politikberatung. Das MCC ist eine gemeinsame Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Weitere Informationen:
Am Mittwoch dem 28. Mai, wird Ökonomieprofessor Martin Weitzman von der Harvard University in der Elinor Ostrom Hall am MCC einen Vortrag halten über das Thema “Why is the Economics of Climate Change so Difficult and Controversial? “. Weitzman ist Fellow der Econometric Society und der American Academy of Arts and Sciences. Derzeit ist er zudem Senior Fellow am MCC.

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Fabian Löhe
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