Pressemitteilung
Berlin, 06.07.2017

Dies kann sich negativ auf Bildungserfolge auswirken. Selbstbestätigende Interventionen im Schulalltag können den betroffenen Schülern dabei helfen, ihre Leistungen zu verbessern.
Nach wie vor haben vor allem Schülerinnen und Schüler mit einem türkischen oder arabischen Migrationshintergrund geringere Bildungschancen als Kinder ohne Migrationshintergrund. Eine groß angelegte Studie des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der Humboldt-Universität zu Berlin und des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR-Forschungsbereich) untersucht die Bedeutung von Einstellungen und Erwartungen von Lehrkräften für migrationsbezogene Ungleichheiten im Bildungssystem und zeigt Strategien auf, mit denen die Leistungen von benachteiligten Schülerinnen und Schülern gezielt gefördert werden können.
Die Ergebnisse des am BIM durchgeführten Studienmoduls „Einstellungen von Lehrkräften gegenüber Vielfalt in der Migrationsgesellschaft“ zeigen, dass Lehrkräfte zu bestimmten Aspekten von Vielfalt liberaler eingestellt sind als die übrige Gesamtbevölkerung. Trotzdem bestehen weiterhin Vorbehalte gegenüber Personen mit muslimischem Hintergrund. „Nur 61 Prozent aller befragten Lehrkräfte meinen, Muslime seien genauso bildungsorientiert; dabei wurden hohe Bildungsaspirationen z. B. in türkeistämmigen Familien mehrfach wissenschaftlich belegt", so Prof. Dr. Naika Foroutan, Leiterin des Studienmoduls am BIM. „Nicht nur die soziale, sondern auch die ethnische, kulturelle und religiöse Herkunft spielen in deutschen Klassenzimmern eine Rolle."
Außerdem sind Leistungserwartungen von Lehrkräften für Kinder aus türkeistämmigen Familien geringer als für Kinder ohne Migrationshintergrund, selbst wenn sich deren Leistungen faktisch nicht unterscheiden. Verzerrte Erwartungen wirken sich auch auf das Lehrkrafthandeln im Unterricht aus und können Lernerfolge beeinflussen. Prof. Dr. Petra Stanat, Leiterin des Studienmoduls „Erwartungen von Lehrkräften gegenüber Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund“, erklärt dazu: „Aus der sozialpsychologischen Forschung wissen wir, dass Stereotype unser Denken und Handeln beeinflussen können, selbst wenn wir diese Vorannahmen nicht glauben. Unsere Studie zeigt, dass dies auch in der Schule vorkommen kann. Auch wenn die Effekte klein sind, ist es wichtig, sich das bewusst zu machen, denn dann kann man sie vermeiden.“
Eine weitere Quelle für Leistungsunterschiede ist, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund negative Stereotype, die sie in ihrem Umfeld vermuten oder beobachten, selbst verinnerlichen und deswegen schlechtere Leistungen erbringen. Im Studienmodul „Wider die Stereotypisierung“ hat der SVR-Forschungsbereich untersucht, wie Lehrkräfte solche negativen Effekte im Unterricht abfedern können. Das an elf Berliner Integrierten Sekundarschulen durchgeführte Experiment zeigt: Wenn Schüler mit türkischer und arabischer Herkunft an einer sog. Selbstbestätigungsintervention teilgenommen und sich mit Themen auseinandergesetzt haben, die ihnen wichtig sind, zeigen sie sowohl unmittelbar danach als auch zwei Monate später signifikant bessere Leistungen in Mathematik. Die Erkenntnisse der Studie können damit dazu beitragen, den Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern zu verbessern: „Lehrkräfte können einer Benachteiligung einzelner Kinder durch ungewollte Stereotype und verzerrte Erwartungen gezielt und mit einer vergleichsweise einfachen Intervention entgegenwirken“, so Dr. Cornelia Schu, Direktorin des SVR-Forschungsbereichs.
Winfried Kneip, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, die das Projekt gefördert hat, hebt hervor: „Bildung ist nach wie vor ein wichtiger Schlüssel zu Chancengerechtigkeit. Schulen brauchen daher ganzheitliche Konzepte, die auf den guten Umgang mit Vielfalt zugeschnitten sind. Gleichzeitig ist die Rolle der Lehrkräfte ganz zentral. Es ist wichtig, dass sie vorurteilsfrei agieren und dazu beitragen, das Selbstwertgefühl ihrer Schüler zu stärken. Die aktuelle Studie zeigt, mit welchen einfachen Mitteln dies oft schon möglich ist.“
Das interdisziplinäre Forschungsprojekt verknüpfte in drei Studienmodulen Erkenntnisse der quantitativen Sozialforschung und der experimentellen Bildungsforschung. Dabei wurden am BIM Umfragedaten einer Stichprobe der deutschlandweit durchgeführten Befragung „Deutschland postmigrantisch“ ausgewertet und weiterführende Reanalysen des Forschungsprojekts „Kompetenzerwerb und Lernvoraussetzungen (KuL)“ vorgenommen, welches unter der Leitung von Prof. Dr. Cornelia Kristen, Prof. Dr. Irena Kogan und Prof. Dr. Petra Stanat durchgeführt worden ist. Für das dritte Modul hat der SVR-Forschungsbereich eigens ein Schulexperiment durchgeführt.
Die Studie und einige Grafiken können Sie hier herunterladen.
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